GREG ILES: „VERRATENES LAND“


„Es ist nicht einfach, ein guter Mensch zu sein.“ Diese Weisheit stellt Marshall McEwan an den Anfang einer ganz großen, bewegenden Geschichte. McEwan ist der Ich-Erzähler im neuen Roman von Erfolgsautor Greg Iles.
Nach der großartigen Natchez-Trilogie spielt auch in „Verratenes Land“ das Geschehen in Mississippi, der Heimat des Autors, die erneut mit allen Schattierungen eine zentrale Rolle innehat. Hierher kehrt Spitzenjournalist und Pulitzer-Preisträger McEwan nach 26 Jahren aus Washington zurück, um seiner Mutter bei der Pflege des sterbenskranken Vaters zu helfen.
Bevor der 44-Jährige jedoch selbst erzählt, kommt es zu einem brutalen Mord am alten Archäologen Buck Ferris. Bei heimlichen Grabungen auf einem Industriegelände, auf dem chinesische Investoren eine neue Papiermühle bauen wollen, findet er Spuren einer 4.000 Jahre alten Indianerkultur. Die Zukunft der vor sich hindümpelnden Kleinstadt Bienville stünde auf dem Spiel und eine Investitionssumme von einer Milliarde Dollar ergibt ein wahrhaft triftiges Mordmotiv.
Marshall, der nach der Rückkehr die lokale Zeitung seines Vaters leitet, beginnt sofort zu recherchieren. Insbesondere auch, weil Ferris eine Art Ziehvater für ihn war, nachdem ihn sein Vater nach einer Familienträgödie quasi links liegen ließ. Marshall war mit 14 Jahren der Auslöser für eine idiotische Teenagerwette gewesen, bei der sein Bruder Adam im Mississippi umkam. Dass er selbst später einen kleinen Sohn durch Ertrinken verlor, steigerte sein Trauma nur noch.
Weil der Verdacht so nahe liegt, recherchiert Marshall nun vor allem in Richtung „Bienville Poker Club“. Nach dem Ende des Bürgerkrieges gegründet, übt diese Vereinigung von zwölf reichen weißen Männern auch nach 153 Jahren noch eine skruppellose Macht aus. Mit Geld, Intrigen und schier grenzenlosem Einfluss kontrolliert der BPC nicht nur die Wirtschaft vor Ort sondern auch die Banken, die Justiz und die Politik.
Natürlich stößt Marshall da mit seiner Neugier und seinen Artikeln in ein Wespennest, in dem niemand vor Korruption, Betrug und nötigenfalls blanker Gewalt zurückschreckt. Zur Brisanz seiner Nachforschungen kommt aber auch noch eine sehr heikle indirekte Verbindung zum BPC: kaum war er wieder zurück in der Stadt, flammte die alte Jugendliebe zur ebenso bildschönen wie blitzgescheiten Jet wieder auf.
Doch – sie ist die Ehefrau seines besten Freundes aus Jugendtagen, mit dem er außerdem einige lebensgefährliche Situationen im Irak-Krieg gemeistert hat. Noch unheilvoller aber ist die Tatsache, dass dieser Paul der Sohn von Max Matheson ist, dem mächtigen Chef des BPC, der in dessen Reihen zugleich als der niederträchtigste Schurke von allen sein Unwesen treibt.
In breitem Erzählfluss und begleitet von viel bildhaftem Lokalkolorit entwickelt das Ganze seine Sogwirkung erst allmählich. Für die Geduld wird der Leser jedoch mit einer Fülle großartig eingeflochtener Familien- und Charakterbeschreibungen belohnt. Und wenn die filmreife Geschichte dann endgültig Fahrt aufnimmt, mündet sie mit rauer, lebensnaher Sprache in ein atemberaubendes Finale. Fazit: „Verratenes Land“ ist ein packendes und zu Recht als Thriller apostrophiertes Südstaaten-Epos.

# Greg Iles: Verratenes Land (aus dem Amerikanischen von Ulrike Seeberger); 830 Seiten; HarperCollins Verlag, Hamburg; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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