MICK HERRON: „DEAD LIONS“


Mit „Slow Horses“ hatte der britische Erfolgsautor Mick Herron einen preisgekrönten Volltreffer gelandet. Nun gibt es eine Fortsetzung mit dieser Abteilung der lahmen Gäule im MI5, wo die Abservierten des Geheimdienstes Ihrer Majestät irgendwie beschäftigt werden.
Alle sind gescheitert, sei es, dass sie fatale Fehler gemacht haben wie das Liegenlassen einer brisanten CD in der U-Bahn, sei es, dass sie saufen oder koksen oder gar einen Kollegen verprügelt haben. Und sie haben in Jackson Lamb einen unangenehmen Chef im Slough House, weit ab von der Zentrale am Regent's Park. Die alte Geheimdienstlegende neigt zum Benehmen eines ungezogenen Kindes bis hin zu Beleidigungen und Schikanen, ist aber ebenso scharfsichtig wie misstrauisch.
Der Titel lautet diesmal „Dead Lions“ und das ist eine Metapher für russische Agenten, die sich als Schläfer im Vereinigten Königreich tummeln. Eingangs wird der abgetakelte MI%-Mann Dickie Bow tot in einem Bus aufgefunden und Lamb findet schnell heraus, dass ein kein Herzinfarkt war. Es wird gerätselt, ob russische Agenten ihre Finger im Spiel haben, die offenbar als Mitglieder eines privaten Fliegerclubs auf Befehle warten.
Dorthin schickt Lamb seinen Agenten Cartwright, um sich undercover einzuschleusen. Doch der stets argwöhnische Boss hat auch einen Widersacher in den eigenen Reihen, den ebenso ehrgeizigen wie dubiosen James Webb. Der beauftragt zwei andere Abservierte, sich um den Ölmagnaten Pashkin zu kümmern. Anwerben sollen sie ihn, denn es gibt Anzeichen dafür, dass er das Amt des russischen Präsidenten anstrebt.
Was aber bedeutet die nicht mehr abgesandte SMS von Dickie Bow, der ja einem verdächtigen Russen auf der Spur war? Da steht nur das Wort Cicadas – offenbar die Umschreibung für jetzt zu weckende „Schläfer“. Geht es gar um eine massive Verschwörung und was hat es mit dem Treffen zwischen Webb und dem Oligarchen im markanten Wolkenkratzer „The Needle“ auf sich?
Viel Agententreiben auf mehreren Ebenen mit falschen Identitäten, Verfolgungsjagden und allerlei Todesfällen. Wenn jedoch ausgerechnet die nicht von ungefähr Abservierten ausgesandt werden, um feindliche Spionage- oder Terrorakte zu unterbinden, führt das eher zu Chaos und komischen Situationen. Das entwickelt sich rätselhaft und spannend bis hin zu grotesken Fehlgriffen.
Das Alles ist mit viel Hintersinn und einer wohldosierten Prise britischem Humor gewürzt. „Dead Lions“ lebt mehr vom subtilen Spionagehandwerk à la John le Carré als von 007-Attitüden und ist dennoch auch dank der funkelnden Dialoge ein Leckerbissen für Freunde gediegener Spannungsliteratur. Und man darf es getrost verraten: Jackson Lamb überlebt auf jeden Fall, denn ein weiterer Band mit ihm als Chef abgehalfterter MI5-Agenten liegt im Original bereits vor.

# Mick Herron: Dead Lions (aus dem Englischen von Stefanie Schäfer); 478 Seiten; Diogenes Verlag, Zürich; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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