KATE ATKINSON: „DECKNAME FLAMINGO“


1981, die von einem Auto angefahrene Julia Armstrong liegt auf der Straße und die letzten Gedanken der 60-Jährigen kreisen recht vage um das Ende. Dann springt das Geschehen ins Jahr 1950, als sie für die BBC Schulfunkprogramme macht. Und sie hat eine flüchtige Begegnung mit Godfrey Toby, der jedoch bestreitet, der so Genannte zu sein.
Damit führt die vielfach preisgekrönte britische Erfolgsautorin Kate Atkinson ein in ihren neuen Roman „Deckname Flamingo“. Der bald schon in die nächste Zeitebene springt, das Jahr 1940, wo es die gerade 18-jährige Julia eher per Zufall zu einem Job beim Inlandsgeheimdienst MI5 verschlägt. Und eben als völlig Unbedarfte ins Spionagegeschäft.
Schließlich hat der Zweite Weltkrieg begonnen und da gibt es für jeden normalen, gesunden Menschen wichtige Aufgaben für sein Land zu erledigen. Hier nun begegnet die Alleinstehende erstmals Godfrey Toby als Agent einer speziellen Geheimdienstaktion. Als angeblicher Gestapo-Agent hat er sich das Vertrauen britischer Nazis erworben, der mysteriösen Fünften Kolonne.
Der MI5 hat eigens ein Haus samt Abhörtechnik für die lockeren Zusammenkünfte hergerichtet. Julias Aufgabe ist es, im Nebenhaus das Mitgehörte und die Mitschnitte per Schreibmaschine festzuhalten. Das erweist sich als so langweilig, wie es sich anhört. Außerdem wird Julia immer wieder gern auch zum Beispiel zum Teekochen und ähnlichen weiblichen Verrichtungen in einer Männergruppe jener Zeit eingesetzt. Was sie aber nicht stört, zumal ihr Gruppenleiter Perry Gibbons gut gefällt. Und der vereinnahmt sie recht bald samt Verlobungsring als die Seine.
Julia ist zu naiv und unerfahren, um zu merken, dass Perrys seltsam spröder Umgang mit ihr bis hin zum höchst unromantischen Nächtigen im selben Bett auf dem Umstand beruht, dass der Agent schwul ist. Andererseits lässt sie sich nach all dem Klatsch und Tratsch, der beim Abhören der Nazis herauskommt, bereitwillig für einen verdeckten Einsatz unter falschem Namen rekrutieren, bei dem sie sogar eine Pistole mitführt.
Als Iris Carter-Jenkins mit ausgeklügelter Vita gelingt es der Amateurspionin sogar, sich mit der krassen Juden-Hasserin Mrs. Scaife anzufreunden. Ein vielversprechender Erfolg, denn diese Witwe verwahrt das sogenannte Rote Buch mit Angaben zu allen wichtigen Mitgliedern der Fünften Kolonne. Doch das Alles ist kein Ringelrein und dann kommt eine Unschuldige dabei zu Tode und Scotland Yard mit ins Spiel.
Was des weiteren geschieht und wie die Vergangenheit Julia viel später wieder einholt, hält weiterhin gefangen, denn Kate Atkinson entwickelt hier Qualitäten eines John Le Carré. Auch dessen unterschwelligen Humor findet man und darf zuweilen an der großen Ernsthaftigkeit des Spionagegebahrens zweifeln. Nicht aber an den bestens recherchierten authentischen Vorgängen in jenen Tagen, denn die belegt die Autorin als in ähnlicher Weise tatsächlich so geschehen. Und wirklich wurden die Nazi-Sympathisanten abgeschöpft und sämtliche Informationen landeten statt im Dritten Reich beim MI5.
Fazit: kein wilder Spionagethriller und Julie Armstrong agiert auch nicht als Mata Hari oder Bond-Girl, dafür ein Spannungsroman mit hinreißenden Dialogen, gediegenen Charakteren und süffisantem britischen Humor.

# Kate Atkinson: Deckname Flamingo (aus dem Englischen von Anette Grube); 331 Seiten; Droemer Verlag, München; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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