HISHAM MATAR: „DIE RÜCKKEHR“


Das jüngste Buch von Hisham Matar ist noch mehr als seine beiden Vorgänger weit mehr als ein Roman. Seine Obsession, dem seit 1990 verschwundenen Vater auf die Spur zu kommen, steht im Mittelpunkt, und so ist das Werk auf beklemmende Weise autobiografisch und durchweg historisch real.
„Die Rückkehr“ lautet der Titel und gemeint ist jener Besuch des Autors gemeinsam mit Ehefrau Diana und seiner Mutter im März 2012 in Libyen. Von Kairo aus fliegen die Drei nach Tripolis und auf dem Flug erzählt der 1970 in New York geborene Diplomatensohn von seinem eigenen Leben, vor allem aber über alles, was er von dem seines Vaters weiß.
Dieser Jaballah Hisham war libyscher Abgesandter bei den Vereinten Nationen in New York, als sich eine Offiziersclique um Oberst Gaddafi an die Macht putschte. 1973 kehrte er in sein Heimatland zurück, doch statt des erhofften Aufbruchs errichtete der neue Machthaber bekanntlich eine immer brutaler werdende Diktatur. Als einer der schärfsten Regimekritiker musste Jaballah Hisham samt Familie bald ins Exil gehen.
Während der Autor in den 80er Jahren zum studium nach England ging, hatte sein Vater das Exil in Kenia nach Ägypten verlegt. Ein fataler Fehler, wie sich 1990 erwies, denn über Nacht geriet er in Gaddafis Fänge. Entführt? Oder gar ausgeliefert? Später bestätigten sich die schlimmsten Befürchtungen: man hatte ihn nach Abu Salim verschleppt, in das berüchtigste Gefängnis des Landes, in dem tausende Regimegegner verschwanden, die meisten spurlos.
Gelang es dem Vater auch in den Anfangsjahren seiner Leidenszeit, drei Briefe aus Abu Salim zu schmuggeln, verlieren sich schließlich die Spuren. Selbst das Einschalten des britischen Premierministers Tony Blair und sogar Verhandlungen mit Gaddafis Sohn bleiben erfolglos. Eine Geissheit über den Verbleib bleibt Hisham Matar versagt, doch er muss seither mit der Mutmaßung leben, dass sein Vater einer der Umgekommenen eines unfassbaren Massakers ist, von dem die Welt erst nach dem Fall des Gaddafi-Regimes 2011 erfuhr.
Doch Matar schildert nicht nur diese Spurensuche, er hat auch andere Berichterstatter aus dieser Ära der Grausamkeiten, Augenzeugen wie sein Onkel. Und es stellt sich heraus, dass sein Besuch in dem Land seiner Väter nach dem geglückten Umbruch im Rahmen des „Arabischen Frühlings“ nur in einem schmalen Zeitfenster stattfindet, bis statt der Wiederauferstehung des früher einmal hoffnungsvollen Landes der Zerfall mit düsteren Aussichten herauszieht.
Es gelingt dem Autor, all das trotz stets spürbarer tiefer Betroffenheit mit bewundernswerter Distanz in eine Romanform zu gießen. So ist „Die Rückkehr“ ein ernstes, intensives und literarisch hochklassiges Buch geworden. Zu dessen Hochgenuss auch für deutschsprachige Leser die exzellente Übersetzung durch Werner Löcher-Lawrence ganz wesentlich beiträgt.

# Hisham Matar: Die Rückkehr (aus dem Englischen von Wener Löcher-Lawrence); 288 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 20


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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