KARINA URBACH: „HITLERS HEIMLICHE HELFER“


Viele Adelige dienten dem Nazi-Regime nicht nur als Militärs sondern auch mit Überzeugung. Weniger bekannt aber war bisher, wie intensiv die Unterstützung Hitlers durch die Aristokratie sich gestaltete und dass sich darin auch zahlreiche Mitglieder des internationalen Hochadels hervortaten.
Zu verblüffenden, weil bisher gut verborgenen Zeugnissen gerieten da Aufnahmen aus einem Privatfilm des Hauses Windsor, die zufällig und definitiv ungewollt kürzlich veröffentlicht wurden. Im Garten tummeln sich kurz nach Hitlers Machtergreifung Edward, Prince of Wales und 1936 für kurze Zeit britischer König, und unter den Nichten auch die etwa siebenjährige spätere Queen Elizabeth II. und sie alle zeigen kurz aber eindeutig – den Hitlergruß.
Ansonsten aber halten nicht nur die britischen Royals ihre Familienarchive streng abgeschottet. Um so erstaunlicher erweist sich deshalb die große Studie „Hitlers heimliche Helfer. Der Adel im Dienst der Macht“ der am Institute for Advanced Study in Princeton forschenden Karina Urbach. Die deutsche Historikerin recherchierte weltweit und hat trotz der Abschottung sämtlicher Adelshäuser die erste umfassende Darstellung der gesamten Verstrickung des europäischen Adels in den Nationalsozialismus aufgestellt.
Viele bisher unveröffentlichte Quellen bestätigen dabei, dass es Hitler ein Leichtes war, um die Sympathien und die Dienste der Adeligen zu werben. Gleich nach dem Ersten Weltkrieg war allein schon der Siegeszug des Bolschewismus ein Schreckgespenst für Aristokraten und Anlass, für die Nazis zu arbeiten. Sie galten als das weitaus geringere Übel und sie versprachen ja auch durchaus Chancen auf erneuten Bedeutungsgewinn.
Oder wie Königin Maria von Rumänien, Tochter des Herzogs von Sachsen-Coburg und Gotha es ausdrückte: „Der Faschismus ist zwar auch eine Gewaltherrschaft, aber immerhin lässt er Raum für Fortschritt, Schönheit, Kunst, für das gesellschaftliche Leben, für gute Sitten und Sauberkeit.“ Noch weniger störte in Adelskreisen der Antisemitismus der Nazis, schließlich standen die Juden für solch unerfreuliche Gesellschaftsmodelle wie Liberalismus und Sozialismus.
Ein entscheidender Wegbereiter für die unverhohlene Annäherung insbesondere des Hochadels war dazu Mussolini. Der faschistische Diktator hatte bei seiner Machtergreifung 1922 das Königtum geschickt gestärkt und in sein System integriert. So war es vor allem Prinz Philipp von Hessen, der die Beziehungen zwischen dem Deutschem Reich und dem Duce pflegte und so manche Geheimmission am Auswärtigen Amt vorbei unternahm. Der Prinz fand als Schwiegersohn des italienischen Königs allenthalben offene Türen in Rom.
Besonders eng aber waren auch die Verflechtungen mehrere Adelshäuser mit direkten familiären Banden zum englischen Adel und die Sympathien des Kurzzeit-Königs Edward VII. für Hitler waren ein offenes Geheimnis. Der wiederum mokierte sich zwar privat über die „degenerierten Adeligen“, wusste aber sehr fürh, wie nützlich ihm diese sein konnten. Der Glanz der alten Namen half u.a. die konservativen oberen Kreise zu gewinnen.
Noch mehr jedoch galt dies auf internationalem Parketzt und hier erwiesen sich die grenzüberschreitenden Dimensionen der kreuz und quer miteinander verflochtenen Adelsfamilien als Gold wert. Ein regelrechtes internationales Netzwerk sorgte mit hochkarätigen Vertretern nicht nur für Sympathiewerbung – die besonders in England bis zum Kriegsausbruch auf fruchtbaren Boden fiel – die diskreten Kanäle boten glänzende Möglichkeiten für eine gut funktionierende Geheimdiplomatie.
Wie weit dabei einzelne Adelige in die Politik hineinwirkten, zeigt das Münchener Abkommen von 1938, wo Prinzessin Stephanie von Hohenlohe wichtige Vorgespräche mit dem britischen Außenminister abhielt. Ein Musterbeispiel ist aber auch Herzog Carl Eduard, ein Enkel von Queen Victoria, der in den 20er Jahren die rechtsterroristische „Organisation Consul“ unterstützte und ein Nazi der ersten Stunde war. Er wirkte u.a. als wichtiger Verbindungsmann zu beiden britischen Königen.
Trotz viel Geheimniskrämerei der Adelshäuser ist Karina Urbach eine überzeugende Dokumentation über Art und Bedeutung dieser heimlichen Helfer Hitlers und ihres vielfältigen Wirkens gelungen. Der Bogen spannt sich vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Nationalsozialismus, beleuchtet aber abschließend auch noch den Verbleib einiger der Unterstützer danach. Fazit: ein überfälliges Sachbuch zu einem besonderen Zweig der Geheimdiplomatie, detailliert und sehr gut lesbar verfasst.

# Karina Urbach: Hitlers heimliche Helfer. Der Adel im Dienst der Macht (aus dem Englischen von Cornelius Hartz); 464 Seiten; Theiss Verlag, Darmstadt; € 29,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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