JESPER WUNG-SUNG: OPFER
LASST UNS HIER RAUS!
Mit Opfer Lasst uns hier raus! hat der dänische Jugendbuchautor Jesper
Wung-Sung ein infernalisches kleines Meisterwerk geschaffen, dass alle Qualitäten zu
einem vieldiskutierten Kultbuch hat.
Dabei ist es nur ein schmaler Band und er beginnt ganz harmlos, als der Direktor der
großen Dorfschule die Schüler an einem Sommertag bittet, noch auf dem Schulgelände zu
verweilen. In der Hauptstadt sei eine Epidemie ausgebrochen und auch hier müssten
Verkehrungen getroffen werden. Die meisten Schüler nehmen es gelangweilt hin, unter ihnen
auch Benjamin, der sich schon deshalb dreinfügt, weil der Rektor sein Vater ist.
Die drei Männer in Schwarz, die die Anweisung offenbar überbracht haben, sind schnell
wieder weg, zugleich bemerkt Benjamin, dass er keinen Handy-Empfang mehr hat. Während
Schüler und Lehrer dann in der Turnhalle das Essen einnehmen, passiert etwas:
urplötzlich tauchen Lastwagen und Bagger auf und im Nu wird ein vier Meter hoher
Maschendrahtzaun um das Schulgelände errichet.
Die Verwirrung steigert sich, als ein Hubschrauber eine Kiste an einem Fallschirm abwirft.
Neben Lebensmitteln und anderen Versorgungsgütern finden sich darin auch Leichensäcke.
Zugleich erscheint eine adlergroße Drohne und schwebt über dem isolierten Gelände. Dann
stirbt Deutschlehrerin Heide als erste an einer Art Grippe, die mit Blutungen,
Hustenkrämpfen, Streifen auf der Haut und Erblindung alsbald zum Tod führt. Der zweite
Todesfall aber ist weitaus erschreckender, denn als Sportlehrer Peter flüchten will,
schießt ihn die Drohne vom Zaun.
Während sich die Erkrankungen häufen wobei es zunächst vor allem die Lehrer
erwischt gibt es weiterhin zwar Versorgungsabwürfe aber keinerlei Informationen.
Vielmehr hat sich die Quarantäne offenbar um das Schulareal herum ausgeweitet und die
immer weniger werden Lehrer haben Mühe, die Ordnung halbwegs aufrecht zu erhalten. Egal,
ob Schulprinzessin Maja, ob Schulrüpel Liam oder eben der nachdenkliche Benjamin, die
Verunsicherung ist längst in tiefe Furcht und erste Ansätze von Panik umgeschlagen.
Als nach Tagen auch der letzte Erwachsene gestorben ist und die Seuche auch immer
schlimmer unter den Schülern grassiert, gerät die Quarantäne-Gemeinschaft an den Rand
der Anarchie. Die noch Gesunden feiern ein wildes Endzeitfest, es gibt
Simultan-Selbstmorde am Zaun und es bilden sich Gruppen. Hinter Elias als
philosophierendem Guru sammeln sich kahlrasierte Anhänger, während die Anhänger Liams
nur noch blankes Überleben versuchen und es zu blutigen Reibereien kommt.
Das Alles ist beklemmend, geht tief unter die Haut und wirft grundlegende Fragen zu Moral
und Ethik auf. Gerade die herbe, auf das Wesentliche reduzierte Prosa wühlt hier auf und
zwingt nicht nur junge Leser ab etwa 15 Jahre nachhaltig in ihren Bann. Fazit: ein
klarsichtiges, düsteres Meisterwerk, das nicht zuletzt an den Existentialismus eines
Albert Camus erinnert.
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