KARL-HEINZ OTT: „DIE AUFERSTEHUNG“


Erbfälle haben schon so manche Familie gesprengt, zumal wenn nicht recht klar ist, ob da noch jemand anders zugreifen könnte. Genau diese Befürchtung hat Linda, als sie ihren betagten Vater leblos und auch irgendwie verwahrlost im Haus vorfindet.
Sofort telefoniert sie ihre drei Brüder herbei und richtet den alten Herrn und die Wohnung etwas her. Eile tut not, denn bevor sie etwas nach außen verlautbaren lassen wollen, muss erst die Sache mit dem Erbe geregelt sein. Immerhin war Dr. Jan Nido lange Chefarzt der Ulmer Unfallklinik, inzwischen seit zwölf Jahren verwitwet, und es besteht der dringende Verdacht, dass er alles an „seine ungarische Hure“ vermacht hat, die dem an Parkinson Erkrankten seit geraumer Zeit mehr als nur eine Pflegerin war.
Wie Linda und ihre Brüder nun eine ganz Nacht lang einen Schlachtplan zur Rettung des Erbes ausbaldowern und dabei natürlich auch jede Menge Erinnerungen hochkommen, daraus hat Erfolgsautor Karl-Heinz Ott den Roman „Die Auferstehung“ geformt. Auch ohne viel Handlung fesselt der trotz aller Detailverliebtheit mit hinreißender Ironie, manch bissiger Satire und mit einem Feuerwerk an Animositäten und Eitelkeiten.
Die da stundenlang palavern, sind nicht unbedingt Kinder, die den Eltern sonderlich viel Freude gemacht haben. Allesamt in den Wirtschaftswunderjahren sorgenfrei aufgewachsen, hatten sich Joschi und Jakob ganz weit links orientiert. Mit der Folge, dass sie als ziemlich gescheiterte Existenzen kaum in Ruhe dem nahenden Rentenhalter entgegensehen können.
Bei Uli reicht es als Werklehrer an einer Waldorfschule und Familienvater so eben, aber auch ihm könnte das Vermächtnis des Alten das Leben erfreulicher machen. Bleibt Linda, schon immer die Einzige mit vorzeigbarem Erfolg als promovierte Kunsthistorikerin. Doch gerade sie, die stets am ehesten die Zügel in der Familie in der Hand hatte – auch angesichts des bis zur Gefühlskälte gleichgültigen Vaters – muss am meisten um einen Erbanteil fürchten.
Der Vater hatte als Witwer verkündet: „Mein Leben lang habe ich gedient, jetzt bin ich dran.“ Fortan schmückte er sein Haus nicht nur mit allerlei Porno-Postern, er suchte auch nach erotischer Abwechslung und fand sie in seiner ungarischen Pflegerin. Daraufhin hatte Linda mit schwerem Geschütz seine Entmündigung betrieben. Kein Wunder, dass der alte Herr nach dem Misserfolg dieses Versuchs jeglichen Kontakt mit ihr abbrach und sogar die Schlösser auswechseln ließ.
Um so eifriger verhandelt diese illustre Erbengemeinschaft über Mittel und Wege, das nach dem italienischen Ferienhaus nicht auch noch der vermutlich recht üppige Rest des Erbes an ihnen vorbeigeht. In ihrer Hektik lassen sie sogar den früheren Nachbarjungen Max kommen, obwohl der sich einst Lindas Hass zuzog, als er sie in jungen Jahren zugunsten einer „Laufstegschönheit“ sitzen ließ.
Ausgerechnet der ist Dr. Nidos Testamentsbewahrer und auf hinterhältige Weise hält er sein Wissen über die Erbchancen des neurotischen Quartetts zurück, denn – das so wertvolle Papier dürfe nur der Notar seiner renommierten Anwaltskanzlei eröffnen. Und so viel sei zu dieser entlarvenden filmreifen Tragikomödie noch verraten: sie mündet in eine ziemlich Überraschung.
Fazit: ein herrlich überzeichneter Gesellschaftsroman, geistreich, witzig und mit messerscharfer Psychologie.

# Karl Heinz Ott: Die Auferstehung; 348 Seiten; Carl Hanser Verlag, München; € 22,90

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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