CHARLIE CHAPLIN: FOOTLIGHTS
RAMPENLICHT
Charlie Chaplin (1889-1977) war einer der bedeutendsten Komiker des 20. Jahrhunderts, aber
auch als Regisseur, Drehbuchautor, Filmkomponist und Produzent zählt er zu den
Universalgenies der Filmgeschichte. Um so sensationeller ist der Fund, der 2014 im
Chaplin-Archiv in Bologna gelang: ein literarisches Werk.
1948 hatte er einen kurzen Roman mit eben 90 Seiten eher eine Novelle unter
dem Titel Footlights Rampenlicht verfasst, der später zur Vorlage für
seinen gleichnamigen großen Film von 1952 wurde. Der renommierte Chaplin-Biograph David
Robinson hat dieses Werk nun zusammen mit dem dazugehörigen Manuskriptfragment
Calveros Geschichte herausgegeben. Entsprechend dem Untertitel des Buches
Die Welt Charlie Chaplins hat er die Fundstücke in die Darstellung der
Hintergründe und der Entstehung des Films eingebunden.
Die Erzählung, auf deren Grundlage der Film entstand, hat einen intensiven
autobiographischen Bezug zu Chaplins Herkunft und seiner Situation im Entstehungsjahr. In
der Geschichte geht es um den einst berühmten Clown Calvero, der als alter,
abgehalfterter Künstler die Tänzerin Thereza vom Suizidversuch rettet. Während er ihr
danach so viel Mut einflößt, dass sie doch noch Karriere macht, scheitert Calvero nun
selbst auf kleinen Bühnen und verfällt immer mehr dem Alkohol.
Wie Thereza liebevoll um ihn kämpft und es zu einem letzten umjubelten Auftritt kommt,
bei dem der Clown stirbt, das bewegte seinerzeit Millionen Kinobesucher. Der besondere
Reiz aber im Film und noch mehr in Chaplins literarischer Vorlage liegt in der Ära um
1900 in London, in die er das Geschehen legte. Wie seine wenig erfolgreichen Eltern hatte
der Junge aus ärmlichen Verhältnissen auf Music-Hall-Bühnen wie hier in Soho erste
Erfahrungen gesammelt, bevor er in die USA ging und 1914 erstmals seinen
Stummfilm-Vagabunden spielte.
Robinson beschreibt diese Zeit und belegt sie mit einer Fülle alter, großenteils noch
nie gezeigter Bilder aus Chaplins Bühnen- und Filmschaffen. War die in
Footlights so glänzend dargestellte Vergangenheit ganz und gar authentisch,
so brachte Chaplin in das Geschehen zugleich unübersehbar auch seine eigene Gegenwart
ein. Nach Jahrzehnten des weltweiten Erfolgs wurde er in seiner Wahlheimat USA gezielt
niedergemacht und das so erfolgreich, dass er wie Calvero gewissermaßen
sein Publikum verlor.
Litt er 1948, als er seiner Sekretärin den Text in die Tasten diktierte, bereits an
dieser Entwicklung, ahnte er doch nicht, welch perfider Schachzug ihn treffen sollte, als
er sich 1952 zu den Dreharbeiten für Limelight, so der exakte
Original-Filmtitel, nach England einschiffte. Kaum unterwegs, entzogen ihm die Behörden
das Recht auf Wiedereinreise, unter anderem wegen seiner angeblichen Nähe zum
Kommunismus.
Um so spannender erweisen sich deshalb die Feinheiten des Films und noch mehr der jetzt
gefundenen Erzählung. Die war offenbar nie für eine Veröffentlichung vorgesehen, wie
Robinson erklärt. So liegt dieser Schatz, der sich stilistisch übrigens an Chaplins
Lieblingsautor Charles Dickens orientiert, gänzlich unverfälscht vor. Zusammen mit den
beigefügten Dokumenten und Fotos aus dem Nachlass Chaplins ist dieser Band somit eine
wunderbare Hommage an eine der ganz großen Künstlerpersönlichkeiten des letzten
Jahrhunderts und seine Zeit.
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