BOUCHAL/SACHSLEHNER: „ANGRIFF AUF WIEN“


Adolf Hitlers Tagesbefehl vom 15. April 1945 verkündete: „Berlin bleibt deutsch, Wien wird wieder deutsch.“ Offenbar wollte er dabei einfach nicht wahrhaben, dass die Metropole der sogenannten Ostmark bereits seit zwei Tagen in der Hand der Roten Armee war. Allerdings hatte der Führer ja auch strikt gefordert, die Stadt „bis zum Letzten“ zu halten.
Dem einwöchigen blutigen Ringen haben sich nun zur 70jährigen Wiederkehr der Ereignisse Robert Bouchal und Johannes Sachslehner mit dem Sachbuch „Angriff auf Wien. Das Kriegsende 1945“ gewidmet. Auf der Grundlage vielfach bisher unbekannten Dokumentarmaterials und der Befragung etlicher Zeitzeugen zeichnen sie ein dramatisches Bild des Endkampfs, der am 6. April um 7.30 Uhr mit dem Generalangriff der sowjetischen Armeen aus zwei Richtungen einsetzte.
Schon am 2. April hatte Gauleiter Baldur von Schirach dem Führerbefehl folgend den Reichsgau Wien zum Verteidigungsbezirk erklärt. Nun setzte ein unerbittliches Ringen ein, das gleichwohl anders als die vorherige verheerende Eroberung Budapests oder die noch schlimmere Schlacht um Berlin kurz nach dem Fall Wiens verlief. So gab es auf Veranlassung Stalins ein Flugblatt mit der Erklärung, die Rote Armee kämpfe nicht gegen die Bevölkerung Österreichs sondern nur gegen die „deutsch-faschistischen Truppen“.
Das kam auch der von Major Carl Szokoll angezettelten „Operation Radetzky“ entgegen, mit der er und eine kleine Gruppe österreichischer Widerständler die Zerstörung Wiens verhindern wollten. Sie übergaben nicht nur Verteidigungspläne an die Sowjets, es kam auch zu ernsthaften Verhandlungen, um den letzten österreichischen Poräsidenten Karl Renner wieder ins Amt zu bringen. Auch weil die Operation scheiterte, kam es zu heftigen Häuserkämpfen und schweren Artillerieduellen mit hohen Opferzahlen und massiven Zerstörungen.
Nicht zuletzt das Aufeinandertreffen von SS-Verbänden und sowjetischen Eliteeinheiten trieb die Verlustziffern hoch, wenngleich die Autoren die immer wieder kolportierten Zahlen von über 37.000 Gefallenen bis hin zu Hitlerjungen, Volkssturmmännern und Zivilisten in Frage stellen. Das vergleichsweise schnelle Ende dürfte aber auch dadurch gefördert worden sein, dass Gauleiter von Schirach alsbald den Führerbefehl ignorierte und sich bereits am 9. April mit seinem Stab absetzte.
Der Fanatismus der Waffen-SS allerdings ging immerhin so weit, dass SS-General Sepp Dietrich den Stephansdom zerstören lassen wollte, weil am Turm eine weiße Fahne auftauchte. Ein mutiger Artillerie-Offizier verweigerte die Befehlsausführung. Dass das weltberühmte Bauwerk dennoch zwei Tage vor dem Ende noch ausbrannte, war die Folge von Plünderungen in gegenüber liegenden Häusern.
Die Schilderungen sind nicht umfassend, stellen in ihren exemplarischen Darlegungen und anhand des eindrucksvollen Bildmaterials gleichwohl ein hervorragend gelungenes Stück Geschichtsschreibung zu einem zu Unrecht gegenüber anderen Schlachten wenig beachteten Ereignisses des Zweiten Weltkriegs dar. Und es entbehrt nicht einer besonderen Ironie, dass noch in den letzten Lebenstages Hitlers über „seinem“ Wien wieder die österreichische Fahne aufgezogen wurde.
Anzumerken ist im Übrigen, dass es etliche Dokumentarfilme gibt, die direkt über das Buch abrufbar sind.

# Robert Bouchal/Johannes Sachslehner: Angriff auf Wien. Das Kriegsende 1945; 208 Seiten, div. Abb; Styria Verlag, Wien; € 26,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen.


Kennziffer: SB 351 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de