RAINBOW ROWELL: „ELEANOR & PARK“


„Sie erinnerte ihn an etwas, das in der Wildnis nicht überleben würde.“ Das denkt Park Sheridan bei der ersten Begegnung mit Eleanor Douglas. Nachdem die anderen Highschool-Schüler der Neuen einen Platz im Schulbus verweigern, lässt Park sie neben sich sitzen.
Mit dieser scheinbar alltäglichen Situation beginnt der vielleicht beste jemals geschriebene Roman über eine erste Liebe – übrigens eine Wertung von keinem Geringeren als John Green, dem absoluten Star unter den gegenwärtigen Jugendbuchautoren. Geschrieben hat ihn Rainbow Rowell und der Titel lautet schlicht „Eleanor & Park“. Mit ihnen kommen zwei 16-Jährige zusammen, die gegensätzlicher kaum sein könnten und doch so vieles gemeinsam haben.
Eleanor ist groß und pummelig, vor allem aber fällt sie durch ihre leuchtend rote Lockenmähne und ihren seltsamen Patchwork-Schlabberlook bei der Kleidung sofort auf. Park dagegen hält sich mit seinem Aussehen als weit und breit einziger Halbkoreaner hier im ländlichen Nebraska soweit zurück, dass er respektiert und unbehelligt bleibt. Während er mit seiner koreanischen Mutter, seinem sportlichen Vater und dem kleinen Bruder in guten Mittelschichtverhältnissen lebt, sieht das bei Eleanor gänzlich anders aus.
Der Vater hatte die Familie verlassen und der tyrannische Stiefvater Richie sie rausgeworfen, weil sie nicht nach seiner Pfeife tanzte. Nach einem Jahr bei Verwandten muss sie sich nun bei der Rückkehr mit wahrlich prekären Verhältnissen abfinden. In einem viel zu kleinen Haus haust sie mit ihren vier kleinen Geschwistern in einem Zimmer, ihre Habe hat Richie beim Umzug entsorgt und das Haushaltsgeld der gehetzten Mutter reicht nicht mal für eine neue Zahnbürste, obendrein gibt es nur einen Vorhang statt einer Tür fürs Badezimmer.
Welche Auswirkungen solche Lebensumstände in Verbindung mit krasser Anmache in der Schule auf das Selbstwertgefühl des Mädchens haben, kann man unschwer erraten. Um so faszinierender gestaltet sich die ebenso sensible wie meisterhaft geschilderte sehr vorsichtige Annäherung zwischen Eleanor und Park. Ist sie anfangs schon froh, dass wenigstens er sie nicht auch noch anpöbelt, beginnt sie, über seine Schulter in seinen Comics mitzulesen. Allmählich kommt es dazu, dass er ihr Hefte und schließlich auch Musik-Cassetten (der Roman spielt 1986!) mit seiner Lieblingsmusik leiht. Die erste bewusste Berührung gipfelt in dem einzigartigen Satz: „Eleanors Hand zu halten war, als würde man einen Schmetterling halten. Oder einen Herzschlag.“
Natürlich kommt es zu kritischen Situationen und die bei Eleanors ersten Besuch bei Parks Eltern ist da noch die am wenigstens bedrückende. Und gerade der dramaturgische Kniff, dass die gesamte Geschichte aus der jeweils wechselnden Perspektive der Beiden erzählt wird und auch großartige Innenmonologe bietet, fesselt bis zuletzt aufs Intensivste, zumal es der Autorin gelingt, an keiner Stelle zu überdrehen oder gar theatralisch zu werden. Hinzu kommen die vielen hinreißenden Dialoge, die ans Herz und unter die Haut gehen, zumal die Übersetzung ins Deutsche hervorragend geraten ist.
Aus guten Grund soll der weitere Verlauf des Romans hier nicht verraten werden. Festgestellt sei jedoch, dass auch die Charakterzeichnungen ganz und gar überzeugen, mit Eleanor und Park aber hat Rainbow Rowell zwei Liebende geschaffen, die alle Qualitäten für ein klassisches Liebespaar besitzen. Fazit: diese grandiose und kein bisschen süßlich geratene Liebesgeschichte wird nicht nur Teenager begeistern sondern jeden, der sich auch nur im Entferntesten an das Herzflattern bei der eigenen ersten Liebe erinnern kann.

# Rainbow Rowell: Eleanor & Park (aus dem Amerikanischen von Brigitte Jakobeit); 361 Seiten; Carl Hanser Verlag, München; € 16,90


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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