STEFAN SCHWARZ: „DIE GROßRUSSIN“


Da Dr. Ulrich Hasselmann als Ich-Erzähler auftritt, weiß der Leser von Beginn an, dass der Alt-Philologe den eingangs geschilderten Mordanschlag auf seine Person überlebt. Was der brave, trockene Universitäts-Dozent dann allerdings erzählt, ist schlichtweg so genial hirnrissig und schrill, dass es einen immer wieder zu lautstarken Heiterkeitsausbrüchen hinreißt.
Mit der skurrilen Selbstrettungsaktion setzt „Die Großrussin“ ein, der verwegene Roman von Stefan Schwarz, der sich zur berstend komischen aber auch bitterbösen Kriminalkomödie entwickelt. Für den pedantischen Hasselmann, der mit der ähnlich betulichen Maike und den kleinen Zwillingstöchtern ein beschaulich langweiliges Leben führt, bricht das Chaos am 44. Geburtstag mit einem Brief vom Jugendamt ein, den er zunächst sicherheitshalber verheimlicht.
Ausgerechnet er, der wie seine Maike im Stande der Unschuld die Ehe eingegangen ist, soll sich um seinen etwa 18-jährigen Sohn kümmern, weil der offenbar ins Kriminelle abgerutscht ist. Ein Sohn – wie das?! Immerhin erinnert sich Hasselmann an einen ganz speziellen Sündenfall in Studententagen, als er in Finanznöte geriet, um seine Doktorarbeit zu vollenden. Da hatte ihm der ebenso versoffene wie skrupellose Geschäftsmann Günter einen Deal verschafft, der ihm die benötigten 10.000 DM einbrachte: Hasselmann sollte einer jungen Russin durch Eingehen einer Schein-Ehe die Möglichkeit verschaffen, sich nach erfolgter Scheidung im Westen reiche Männer zu angeln.
Durch unklare Unterlagen konnte es dazu kommen, dass Hasselmann so nicht die erwartete Ballerina Jelena zur Ehefrau auf Zeit bekam. Vielmehr stellte sich die ehrgeizige Dame aus Tomsk als hünenhafte Volleyballerin heraus. Was das Geschäft noch mehr erschwerte, war ein höchst misstrauischer Ausländerbeamte, für den der Betrugsversuch aus sehr offensichtlichen Gründen auf der Hand lag: Hasselmann reckte sich zu ganzen 165 Zentimetern auf, das sibirische Vollweib aber maß gute 190!
Dass die Ehe dann dennoch anerkannt wurde, lag an den glaubhaften Versicherungen der Eheleute, dass der Kleine seine Große regelmäßig „besteige“ - wenngleich das durchaus nicht im sexuellen Sinne geschah. Was das Ausländeramt aber nichts anging. Wieso trotzdem ohne Wissen „Ullischeks“ ein Sohn gezeugt werden konnte, bleibt dem Überraschten jedoch lange unklar. Um so heftiger gerät nun sein Eingreifen in die Erziehung dieses rüpeligen Sohnes Slava, denn dabei stolpert er auf gänzlich absurde Weise in eine unaufhörliche Reihe lebensgefährlicher Situationen.
Das liegt an einer besonderen Rolle Slavas im kriminellen Milieu, so dass der vom großen Sohn arg verachtete kleine Vater im Nu gleich zwei Mafia-Banden gegen sich aufbringt, zumal diese einander auch noch spinnefeind sind. Das führt nicht nur zu allerlei Mord und Totschlag, der weltfremde Dozent schafft es mit seiner trocken-naiven Bekehrungsneigung auch ein ums andere Mal, geradezu um Prügel und Schlimmeres zu betteln.
Wenn der unscheinbare Hypochonder all dies – zumindest bis auf weiteres – überlebt, dann auch dank eines unerschütterlichen und wohl nur für ihn nachzuvollziehenden Selbstvertrauens. Das Alles ist schreiend komisch und zugleich richtig spannend. Stefan Schwarz hat ein hinreißendes Panoptikum geschaffen, das sich um Moral und Anstand nur peripher schert und diese aberwitzige Komödie lässt nur noch einen Wunsch offen: den nach einer kongenialen Verfilmung.

# Stefan Schwarz: Die Großrussin; 288 Seiten, Klappenbroschur; Rowohlt Verlag, Berlin;

€ 16,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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