CHIMANANDA NGOZI ADICHIE:
AMERICANAH
Americanah heißt der neue Roman der Erfolgsautorin Chimananda Ngozi Adichie
und mag er auch die Liebesgeschichte der hochintelligenten Ifemelu und ihrem Freund aus
Teenagertagen Obinze erzählen, so thematisiert er doch weit mehr als das. Als sich
Ifemelu die Möglichkeit eines Stipendiums in den USA bietet, greift sie sofort zu, um
ihrem von Korruption und Streiks gelähmten Heimatland Nigeria zu entkommen.
Dafür lässt sie ihren so seelenverwandten Geliebten zurück und sogar den Kontakt zu ihm
abreißen. Doch der gelobte Westen, nicht zuletzt verklärt durch die Literatur von Graham
Greene und Mark Twain, erweist sich als steiniges Pflaster. Das erfährt Ifemelu von
Beginn an, denn so gleichberechtigt und selbstbewusst sie daheim unter ihresgleichen war
gegenüber den in bemühter political correctness vermeintlich
gesellschaftlich gleichgestellten African-Americans hat sie als echte
Afrikanerin keinerlei Vorteil.
Und sie muss lernen, dass noch immer eine rassische Hierarchie gilt, bei der die
WASP-Angehörigen (white anlo-saxon protestants) noch vor den Juden stehen und die
Schwarzen noch immer das Schlusslicht sind. Mit viel Zähigkeit und Cleverness beißt sie
sich dennoch durch, findet schließlich Anerkennung und Wohlstand als Bloggerin. Und in
einem Blog konstatiert sie in einer ihrer brillanten Analysen der US-Gesellschaft:
In Amerika entscheidest nicht du, welche Rasse du bist. Es wird für dich
entschieden.
Aber auch persönlich erlebt sie in diesem zwiespältigen Land viel offenen und latenten
Rassismus. Doch wie Ifemelu gehört dann auch Obinze zu den ehrgeizigen jungen Menschen,
die nicht wegen eines Krieges oder aus Hunger sondern aus reiner Unzufriedenheit
flüchten. Sein Ziel ist London und seine dortigen Erfahrungen als Illegaler sind wieder
ganz anders als die seiner sehnlich vermissten Geliebten.
Das Empfinden der Entwurzelung aber begleitet beide, Obinze allerdings wird bald schon
mangels Arbeitspapieren in die Heimat deportiert. Wo er sich dann mit einigem
Geschäftserfolg durchsetzt und schließlich auch eine Familie gründet. Glücklich wird
er jedoch nicht und als Ifemelu nach 15 Jahren nach Hause zurückkehrt, lenkt beider
Sehnsucht ihr Leben in neue Bahnen.
So beeindruckend und wirklichkeitsnah ihre Liebesgeschichte auch ist, die Größe dieses
ungemein facettenreichen Romans machen andere Aspekte aus. Da ist die Rolle Ifemelus als
schwarzafrikanische Frau in ihrer Heimat und noch mehr in den USA, es sind die
Blitzlichter auf das Schwarzsein auf drei Kontinenten, in das nach Adichies eigener
Aussage viel Autobiographisches eingeflossen ist. Da funkeln immer wieder die sezierenden
Blicke auf die Ungereimtheiten der USA und die der irgendwie auch jetzt noch bewunderten
früheren britischen Kolonialmacht.
Am beißendsten ist ihre Satire jedoch, wenn es um die eigene nigerianische Gegenwart mit
ihrem kunterbunten Durcheinander geht, in dem außer der Korruption kaum etwas wirklich
funktioniert. Souverän wie in ihren viel gerühmten Romanen Blauer Hibiskus
und Die Hälfte der Sonne fesselt Adichie trotz der vielen Charaktere und der
Fülle des Erzählten auf berührende Weise auch mit den zentralen menschlichen
Empfindungen von Verlust und Einsamkeit bei der Suche nach der eigenen Identität.
Fazit: ein großartiges Stück Literatur, sehr afrikanisch, aber eben auch global und
allgemeingültig.
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