LOUISE ERDRICH: „DAS HAUS DES WINDES“


Louise Erdrich gehört zu den großen US-Romanciers unserer Zeit und die Autorin mit den deutschen und indianischen Wurzeln kehrte mit ihrem jüngsten Roman „Das Haus des Windes“ zu den native-american Themen zurück. So erfolgreich, dass diese Geschichte aus dem Ojigwe-Reservat in North Dakota 2012 mit dem National Book Award ausgezeichnet wurde.
Im Mittelpunkt steht als Ich-Erzähler der 13-jährige Joe, Sohn von Bazil und Geraldine Coutts. Der Einstieg hat hohen Symbolwert, wenn Vater und Sohn gemeinsam Baumwurzeln ausreißen, die die Grundmauern ihres Wohnhauses durchdringen wollen. Erstmals ermattet der alte Herr vor dem Sohn und lässt diesen das Werk vollenden. Bald aber erfahren die Beiden Schlimmes, nachdem sich Geraldine völlig ungewohnt verspätete: sie wurde entführt, vergewaltigt und mit Benzin übergossen. Nur mit viel Glück und Geistesgegenwart konnte sie dem ihr offensichtlich zugedachten Ende entkommen.
Das Alles geschah irgendwo in der Nähe des titelgebenden Hauses, das den Stammesangehörigen als eine Art Kulturstätte, vor allem aber insgeheim als Ort ihrer überlieferten Zeremonien dient. Das ist insofern von Bedeutung, als dieser sehr realistische Roman im Jahr 1988 spielt und die Rechtsprechung in Regionen wie diesen noch voller Tücken und ganz und gar ungerecht ist. Ob der Tatort auf privatem, Stammes- oder bundeseigenem Gelände liegt und ob der Täter ein Stammesangehöriger oder nicht ist, entscheidet über die Art der Verfolgung und Verurteilung.
Geraldine steht unter einem solchen Trauma, dass sie ins Krankenhaus muss und sich völlig in sich zurückzieht. Bazil Coutts, der als Stammesrichter fungiert, weiß nur zu gut, wie schwierig es sein wird, den Fall aufzuklären. Und dann bliebe die Frage, ob der Verbrecher überhaupt angeklagt würde – Louise Erdrich stellt im Nachwort klar, dass jede dritte indianische Frau im Laufe ihres Lebens mit einer Vergewaltigung rechnen muss. 86 Prozent der Täter sind keine Indianer und haben gute Chancen, ungeschoren davon zu kommen.
Bazil aber ermittelt trotzdem und er bezieht auch Joe mit ein trotz seines Alters. Was er bald schon bedauert, denn der Junge, der seine Mutter sehr liebt und zugleich mitten in der Pubertät steckt, geht mit seinen Freunden auf die Jagd. Und sie haben einen Verdächtigen ausgemacht, den sie nun regelrecht verfolgen. Zugleich breitet sich hier die Geschichte eines Erwachsenwerdens aus mit all den widersprüchlichen Verhaltensweisen von Jungenspielen und dem Schwärmen für „Star Trek“ bis hin zu ersten Sex-Fantasien, Bier und sogar einem Joint.
Eine wichtige Rolle spielt jedoch auch der neue katholische Priester, ein ehemaliger Marine mit einer beeindruckenden Kriegsverletzung. Als er sie beim Herumspionieren erwischt, bedenkt er sie allerdings mit rassistischen Schmähungen. Bedeutsam für den mehr von Joe geprägten Teil des Romans sind zudem die großartige Indianer-Großmutter sowie die Stammesgeschichten, die Großvater Mooshun nächtens im Schlafzimmer erzählt.
Bis zuletzt fesselt dieser langsam erzählte Roman mit seiner Melange aus Stammesleben, Spannungselementen, komische Einschüben und mystischen Fabeln. Wenn „Das Haus des Windes“ dennoch enttäuscht, dann liegt das an der uneleganten und stellenweise regelrecht unbeholfenen Übertragung ins Deutsche. Gerade im Vergleich zu ihren bisher stets kongenial übersetzten Büchern, die den ganzen Sprachzauber und die oft darin aufleuchtende raue Poesie dieser Autorin auch für hiesige Leser offenbarten, fällt dieser bedauerliche Qualitätsunterschied sehr ins Gewicht.

# Louise Erdrich: Das Haus des Windes (aus dem Amerikanischen von Gesine Schröder), 384 Seiten; Aufbau Verlag, Berlin; € 19,99


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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