PIETER WEBELING: „DAS LACHEN UND DER TOD“


11. Januar 1946, der Komiker Ernst Hoffmann steht im Amsterdamer Amstel-Theater vor seinem ersten Auftritt nach dem Krieg nervös hinter der Bühne. Der 38-Jährige bangt, ob Helena Weiss, seine große Liebe, im Saal sein wird. Die Liebe zu ihr war es, die ihn die Hölle in einem KZ in Polen hat überleben lassen. Die Liebe und sein viel gerühmter Humor.
Das ist der bewegende Auftakt zu dem Roman „Das Lachen und der Tod“, den der niederländische Erfolgsautor Pieter Webeling nach intensiven Recherchen wie eine Autobiographie verfasst hat. Absolut authentisch wirkt sein Ernst Hoffmann als Ich-Erzähler in diesem Leidensweg durch ein Vernichtungslager, das keine wie auch immer geartete Romanze sondern das tägliche Grauen schildert und dennoch auch eine Geschichte von Menschlichkeit und Hoffnung ist.
Hoffmann hatte einen deutschen Vater, der im Ersten Weltkrieg sogar Orden für Tapferkeit bekam. Geheiratet hatte er dann jedoch eine niederländische Schauspielerin, ein Jüdin, weshalb sich Hoffmann als Halbjude während der Nazi-Besatzung verstecken musste. Es waren einheimische Nazis, die ihn 1944 doch noch verrieten. Im Viehwaggon auf dem Weg zum KZ fiel Helena ihm auf, weil sie in der quälenden Enge das „Lied der Hoffnung“ sang. Und Hoffmann verliebte sich sofort in sie.
Auf der Fahrt kommt es zu gefährlichen Streitereien zwischen den verängstigten Menschen und es ist Hoffmanns geniale Idee, mit einem spontanen Komikerauftritt für Entspannung zu sorgen. Es gelingt ihm so großartig, dass sogar lautes Gelächter ausbricht. Mit Folgen, denn die SS-Wächter reagieren wütend mit Schüssen durch die Wand. Ein Diamantenhändler wird dabei getötet und Hoffmann nimmt wegen der beißenden Februar-Kälte dessen Jacke an sich. In deren Saum er einen Diamanten findet, der noch eine Rolle spielen wird.
Im Lager angekommen, werden Männer, Frauen und Kinder sofort selektiert und wer nach rechts muss, geht gleich in die Duschen, als die die Gaskammern deklariert sind. Hoffmann wird wie Helena auf die linke Reihe verwiesen und bevor sie sich trennen müssen, versprechen sie sich noch, einander niemals zu vergessen. Tatsächlich wird diese Liebe zwischen ihnen fortan die einzige Triebfeder zum Durchhalten sein.
Das allein aber wäre in dieser alltäglichen Hölle mit Schindereien, Folter, Demütigungen, Hunger, willkürlichen Hinrichtungen, Kälte und unaufhörlicher Angst nicht genug. Hinzu kommt Hoffmanns angeborenes Talent des Komikers, das ihn schließlich in eine ungewöhnliche
Rolle treibt: in die des Hoffnungsbringers inmitten all der brutalen Unmenschlichkeit. Es ist der Blockälteste Schlomo, einst Priester in Krakau, durch den er erfährt, dass auch Helena noch lebt. Als Gegenleistung will Schlomo, dass Hoffmann den KZ-Insassen allabendlich ein paar Witze erzählt, damit sie nicht völlig dem Irrsinn und der Hoffnungslosigkeit verfallen.
Das kommt aber auch dem Lagerkommandanten zu Ohren, der Hoffmann nun zur Abendunterhaltung der SS-Truppen haben will. Als der sich zunächst verweigert, hat das bittere Folgen, und als der Herr über Leben und Tod schließlich das weitere Wohlergehen Helenas davon abhängig macht, lässt sich Hoffmann auf den zynischen Handel ein. Es folgen makabre Szenen, bei denen einem das unweigerliche Lachen immer wieder im Halse stecken bleibt. Doch nirgends ist das Schicksal so unberechenbar, so gnadenlos und so grausam wie in einem KZ, was auch Hoffmann durchleiden muss.
Wie der tägliche, fast gänzlich hoffnungslose Lauf die Menschen unentrinnbar aufs nackte Überleben und die Mechanismen dafür reduziert, erkennt der vom Priester zum Kapo heruntergekommene Schlomo: „Du bist im Lager, Holländer. Aber was noch schlimmer ist: Das Lager ist in dir.“ Der Autor erspart dem Leser kein noch so unerträgliches Detail und trifft mit seiner nüchternen Sprache offenbar absolut ins Schwarze, wie der Kommentar eines Auschwitz-Überlebenden belegt: „Ich bewundere Webeling, der nach seinen gründlichen Recherchen das Leben und Sterben in den Lagern so wirklichkeitsgetreu beschrieben hat.“
Am Ende fühlt man sich auch als Leser wie befreit, jedoch auch irgendwie betäubt. Und man weiß, man hat ein ebenso furchtbares wie grandioses Buch gelesen, das man nicht mehr vergessen wird. Fazit: es gibt zahlreiche Romane über den Holocaust, „Das Lachen und der Tod“ aber zählt zweifellos zu den großartigsten.

# Pieter Webeling: Das Lachen und der Tod (aus dem Niederländischen von Christiane Burkhardt); 319 Seiten; Karl Blessing Verlag, München; € 19,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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