MARIO VARGAS LLOSA: "EIN DISKRETER HELD"

Mit seinem neuen Roman "Ein diskreter Held" wendet sich Mario Vargas Llosa mal wieder seinem Heimatland Peru zu. Der Literaturnobelpreisträger von 2010 schildert es als verwahrlost, korrupt und kriminell. Und will mit seinem neuen Werk nicht weniger erreichen, als den moralischen Helden, die es dennoch auch hier gibt, ein Denkmal setzen.

Da steht an erster Stelle der Spediteur Felicito Yanaqué, der sich vom Lkw-Fahrer zum bescheidenen Mittelständler hochgearbeitet hat. Der Mittfünfziger führt eine eher lieblose Ehe, genießt sein Leben jedoch dank einer Geliebten. Wichtig war stets auch seine Wahrsagerin, die ihn immer vor Unangenehmem bewahrte. Nun aber hat sie offenbar versagt, denn eines Morgens findet er einen Erpresserbrief der Mafia in der Post: ab sofort soll er monatlich Schutzgeld bezahlen.

Nicht mit Felicito, denn der hält sich an einen hehren Grundsatz, den ihm sein Vater mit auf den Weg gegeben hat: "Lass dich niemals herumschubsen." Selbstverständlich zahlt Felicito nicht, aber ebenso natürlich hat er von der Polizei keine Hilfe zu erwarten. Selbst als sein Büro ion Flammen aufgeht und schließlich gar seine Geliebte spurlos verschwindet, bleibt er standhaft. Ja, er verkündet sogar öffentlich, dass es dabei bleibe, und gewinnt zunehmend Hochachtung in einer Gesellschaft, wo die wenigsten ähnlichen Mut aufbringen und lieber diskret zahlen.

Im Gegensatz zu diesen Vorgängen in der Kleinstadt Piura geht es beim vermögenden Versicherungsunternehmer Ismael Carrera in der Hauptstadt Lima um ganz andere Machenschaften. Der über 80-Jährige hat Zwillingssöhne, die missratene Schmarotzer sind und ungeduldig auf das Ableben des Witwers warten. Der Greis aber foppt die gierigen Hyänen, indem er sein um etliche Jahrzehnte jüngeres Hausmädchen Amida ehelicht.

Die Söhne laufen Sturm gegen den drohenden Verlust des Erbes, doch Ismael hat einen Helfer, seinen engen Vertrauten und langjährigen Geschäftsführer Don Rigoberto. Der freute sich zwar auf seinen wohlverdienten Ruhestand mit viel Kunstgenuss und Reisen, doch Loyalität ist für ihn eine Sache der Ehre. Der Freundschaftsdienst wird jedoch zu einem regelrechten Leidensweg durch Erbschaftsprozesse und erhebliche persönliche Anfeindungen, während Ismael mit der frisch Angetrauten auf Hochzeitsreise geht.

In jeweils wechselnden Erzählebenen laufen die mit großer Sogwirkung und der bewährten Fabulierkunst des grandiosen Romanciers geflochtenen Handlungsstränge samt ihrer hinreißend gezeichneten Charaktere schließlich sogar zusammen. Das ist trotz allen Ernstes des Themas leicht und elegant geschrieben. Allerdings ist die zuweilen geradezu gallige Gesellschaftskritik des Weltbürgers Vargas Llosa spürbar altersmilder geworden, Damit mag dieser Roman des 77-Jährigen nicht zu seinen größten zählen, ein Meisterwerk ist er gleichwohl.

 

# Mario Vargas Llosa: Ein diskreter Held (aus dem Spanischen von Thomas Brovot); 381 Seiten; Suhrkamp Verlag, Berlin;

€ 22,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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