BENJAMIN PERCY: "WÖLFE DER NACHT"

Benjamin Percy ist im US-Staat Oregon aufgewachsen und dort spielt auch sein Roman "Wölfe der Nacht". Wölfe spielen zwar nicht im wirklichen Sinne des Wortes eine Rolle, urwüchsige Natur dagegen um so mehr. Im Mittelpunkt steht ein Abenteuer-Wochenende, das für den zwölfjährigen Graham zu einer Art Männlichkeitsinitiation werden soll.

Sein Vater Justin, von Beruf Lehrer, war nicht sonderlich begeistert von der Idee, doch Großvater Paul, drängt und der hünenhafte alte Haudegen weiß sich durchzusetzen. In den abgelegenen Echo Canyon soll es gehen, denn dessen bisher kaum berührte Wildnis steht vor der Umwandlung in ein Touristenzentrum. Dort soll Graham am Lagerfeuer sein erstes Bier trinken und erstmals ein Tier mit einem Gewehr töten.

Auch Grahams Mutter Karen behagt der Ausflug mit dem ungeliebten Schwiegervater nicht, sie sieht darin jedoch auch eine Chance, sich in Ruhe über ihre ins Trudeln geratene Ehe klar zu werden. Es gibt da allerdings auch noch die Avancen des Bauunternehmers Fremont, während ihr eine wirkliche Gefahr ganz und gar nicht bewusst wird, die durch einen krankhaften Stalker.

Zu einem solchen wird Brian von dem Schlüsseldienst, den sie rufen muss, als sie sich nach dem erneuten exzessiven Joggen ausgesperrt hat. Der nette junge Mann ist vor Jahren nicht nur mit einer physischen Verwundung aus dem Irak-Krieg heimgekehrt. Viel schlimmer war die im Kopf, die bei ihm nun zu seltsamen Ritualen führt. Doch er treibt sich nicht nur nächtens in Tierfelle gehüllt in den Wäldern herum, er hat sich einen Nachschlüssel zu Karens Haus gemacht und dringt allmählich immer weiter heimlich und vorläufig unbemerkt in ihre Intimsphäre ein.

Währenddessen lässt der grobschlächtige Großvater das Kumpelwochenende mit Sohn und Enkel zu einem handfesten Abenteuer werden, bei dem die zweifelhafte Lagerfeuerromantik für diese drei Menschen, die einander eher wesensfremd sind, in immer gefährlichere Situationen umschlägt. Stetig wächst das Empfinden konkreter Bedrohung und erste Indizien lassen selbst den Leser frösteln. Zu all den unheimlich wirkenden Schrecknissen der Wildnis schleicht sich als haarsträubendstes schließlich der Zweifel ein, ob es nicht doch Grizzly-Bären in den Wäldern Oregons gibt.

Percy lässt es langsam angehen in diesem Roman, der die möglichen Thrillerelemente nur andeutet, gleichwohl zunehmend für Hochspannung sorgt. Für Zartbesaitete ist dieses testosterongeschwängerte Treiben vermutlich zu eindimensional und den ausführlichen hervorragenden Beschreibungen der beeindruckenden Natur steht der nicht eben feinfühlige oder gar alletitliche Umgang der drei Ausflügler mit den Tieren oder deren Kadavern gegenüber. Wer es jedoch rustikal und gradlinig mag, wird hier bestens bedient.

 

# Benjamin Percy: Wölfe der Nacht (aus dem Amerikanischen von Klaus Berr); 368 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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