PARINOUSH SANIEE: "WAS MIR ZUSTEHT"

Die Iranerin Masumeh ist noch ein Teenager, als sie wegen eines harmlosen Flirts von ihren Brüdern wegen unsittlichen Benehmens denunziert und anschließend zur Bereinigung des Problems zwangsverheiratet wird. Schon zuvor hatte das Mädchen aus einer Mittelschichtsfamilie weder Privatsphäre noch irgendetwas Eigenes.

Damit beginnt eine Geschichte aus dem Iran der letzten 50 Jahre, geschrieben von Parinoush Saniee, studierte Psychologin und Soziologin, und nach dem Erscheinen im Jahre 2003 ein Bestseller in ihrem Land. Trotz Verhinderungsversuchen staatlicher Stellen wurde inzwischen bereits die 21. Auflage und sogar eine internationale Veröffentlichung erreicht. Jetzt liegt das Buch unter dem Titel "Was mir zusteht" auch auf Deutsch vor.

Was Masumeh erlebt und durchleidet, begleitet quasi die Geschichte des Iran seit den 50er Jahren bis zum Ende des ersten Golfkriegs mit dem Irak. Schon als Kind aus einer recht traditionellen Familie muss sich das Mädchen, das seinen drei Brüdern an Intelligenz und Ehrgeiz weit überlegen ist, den Schulbesuch erkämpfen. Doch ausgerechnet die Zwangsheirat mit Hamid scheint in gewisser Weise ein Glücksfall für sie zu werden. Der ist nämlich ein fortschrittlicher Geist, der keine Unterwürfigkeit von seiner Frau verlangt.

Seine Vorzüge haben jedoch eine gefährliche Kehrseite: seine liberale Haltung hat damit zu tun, dass er aktiver Kommunist ist und im Untergrund gegen das autokratische System des Schahs kämpft. Schließlich wird er verhaftet und Masumeh muss in ständiger Furcht vor der Geheimpolizei ihre Kinder allein aufziehen. Als dann 1978 die Revolution den Schah hinwegfegt, ändern sich die Verhältnisse nicht zum Besseren. Statt eines Aufbruchs in die Moderne werden die rigiden Regeln und Traditionen eher noch härter durchgesetzt.

Mehr Freiheit ist für Masumeh undenkbar, stattdessen wird ihr Ehemann nun sogar hingerichtet. Daheim findet die selbständig Denkende keinerlei Halt, denn der milde und durchaus liberale Vater kann sich gegen die ungebärdigen Söhne nicht durchsetzen, von denen sich einer sogar zum glühenden Verfechter des Ajatollah-Regimes entwickelt. Masumehs Mutter wiederum ist derartig in den überkommenen Traditionen gefangen, dass sie bereits vorher das Ende der Welt nahen sieht, als die alleinerziehende Tochter einen Büro-Job antritt.

Bitter wird es für die Leidgeprüfte, als einer ihrer Söhne auch noch als Gotteskrieger an die Irak-Front zieht und als am Ende des Romans wieder Frieden im Lande herrscht, ist Masumeh 51 Jahre alt, früh ergraut und der Frieden bedeutet eines auf keinen Fall - ein Happy End. Vieles jedoch bleibt nur zwischen den Zeilen zu erahnen und neben manchen starken Charakteren sind es gerade die unausgesprochenen Dinge, die diesen überaus spannenden Roman so spektakulär machen. Sie ermöglichen einen anderen Blick auf dieses Land, das auf eine uralte Kultur zurückblickt und zu Unrecht nur als Hort von religiösen Fanatikern und Terrorismus-Unterstützern gesehen wird.

Fazit: ein außergewöhnliches Stück Literatur, das bei aller orientalisch blumiger Ausdrucksweise mit seiner dennoch erfreulich sachlichen Sprache gut zu lesen ist.

 

# Parinoush Saniee: Was mir zusteht (aus dem Italienischen von Bettina Friedrich); 480 Seiten; Knaus Verlag, München;

€ 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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