ELISABETH HERRMANN: "DAS DORF DER MÖRDER"

Schon beim Prolog ihres neuen Romans "Das Dorf der Mörder" zeigt Deutschlands mutmaßlich beste Krimiautorin Elisabeth Herrmann ihre Meisterschaft darin, mit wenigen knappen Sätzen ein erstes Grauen anzudeuten.

Das dann beim Auftakt des Geschehens im Berliner Tierpark gleich eine sich rasant entfaltende Sogwirkung in Gang setzt. Dort haben Kinder im Gehege der aggressiven brasilianischen Pekari-Schweine menschliche Leichenteile entdeckt. Als erste am Tatort ist die überehrgeizige Sanela Beara. Als einfache Streifenpolizisten soll sie lediglich den Tatort absperren. Doch die eigensinnige gebürtige Kroatin, die nach Höherem strebt, beginnt gleich zu ermitteln.

Von Kindern hört sie Seltsames, wogegen sie bei Charlie Rubin, der Tierfutterzüchterin, nur vermeintlich Harmloses vernimmt. Doch gerade die schlägt die Polizistin hinterrücks beinah tot, als sie in die Kochentonnen schauen will. Aus guten Grund und Charlie gibt nach der Verhaftung auch schnell zu, für den Toten bei den Pekaris verantwortlich zu sein. Damit scheint der Fall gelöst, allerdings schockiert die Monstrosität der Tat, denn der Ermordete wurde mit einem Gift ruhig gestellt, das nur den Körper lähmt - der ältere Mann wurde bei vollem Bewusstsein von den messerscharfen Zähnen der Schweine zerfleischt.

Diplompsychologe Jeremy Saaler nimmt nun Kontakt auf zu Charlie, damit sein Chef Professor Brock ein Gutachten über ihren Geisteszustand erstellen kann. Die merkwürdige Frau gibt viele Rätsel auf und versucht auf brutale Weise einen Suizid. Sanela Beara aber glaubt nicht an ihre Schuld und entgegen den knallharten Zurechtweisungen von Kriminalhauptkommissar Gehring gibt sie ihre unzulässigen Ermittlungen nicht auf.

Während sie in Charlies Heimat nach Wendisch Bruch fährt, einem brandenburgischen Dorf in der Nähe von Jüterbog, das sich als heruntergekommenes, fast entvölkertes Nest erweist, stoßen Brock und der unsichere aber sehr begabte Jeremy auf Ungereimtheiten in Charlies Verhalten und in ihrem Lebenslauf - was war mit ihrer Kindheit und warum reagiert sie so harsch, als man ihre jüngere Schwester Cara ausfindig macht und befragen will?

Wegen ihr, einer kratzbürstigen Tierärztin, fährt auch Jeremy zu dem Dorf und zwischen diesen beiden entsteht im Handumdrehen ein hitziges erotisches Verhältnis. Doch weit mehr als Cara gibt das Dorf, geben seine wenigen restlichen Bewohner Rätsel auf. Die allesamt in die Zeit kurz nach der Wende weisen, in der immer mehr Dörfler verschwanden. Allen voran die männlichen und von etlichen finden sich nirgendwo mehr Lebensspuren.

Der Niedergang hat einen mörderischen Hintergrund und die Geschehnisse um einen Sündenpfuhl voller menschlicher Niedertracht sollen nach dem wütenden Willen eines Übriggebliebenen auf ewig ein Geheimnis bleiben. Das hat Sanela Beara bereits erleben müssen, indem ein unbeweintes Grab auch für sie zur letzten Ruhestätte werden soll. Doch auch Jeremy und Cara stoßen auf Lebensgefährliches und das Schlimme, das man längst geahnt hat, bricht sich im grandiosen Finale vollends bahn.

So spektakulär und atemberaubend das Alles ist, es überzeugt zugleich mit seinem harten Realismus, seiner dichten Atmosphäre und vor allem mit diesen exzellent herausgearbeiteten Charakteren und manchen Sätzen, die geradezu funkeln. Die brillante Idee der beiden unabhängig voneinander agierenden Hauptfiguren Sanela und Jeremy geht ebenfalls voll auf und es kann für diesen gewieften und filmreifen Psychothriller nur ein Urteil geben: absolute Meisterklasse.

 

# Elisabeth Herrmann: Das Dorf der Mörder; 476 Seiten; Goldmann Verlag, München;

€ 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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