JUSTIN CRONIN: "DIE ZWÖLF"

In Justin Cronins Endzeitthriller "Der Übergang" wollten gewissenlose US-Militärs die absolute Superwaffe gegen den Terrorismus entwickeln lassen: quasi unbesiegbare und extrem langlebige Krieger. Schon der Einsatz der Probanden war ein Sündenfall für sich, denn es wurden zwölf Schwerverbrecher aus ihren Todeszellen geholt, um im streng geheimen Labor in den Bergen von Colorado umgewandelt zu werden.

Das Ergebnis war monströs, denn die Zwölf gerieten zu extrem blutrünstigen Missgestalten von unbändiger Aggressivität, die alles anfielen, was Hämoglobin in den Adern und eine Körpertemperatur im Säugetierbereich von 35 bis 38 Grad hat. Man nannte die mit ihren großen orangefarbenen Augen äußerst lichtempfindlichen Scheusale Virals und als sie ausbrachen, ging die Welt, wie man sie bis dahin kannte, in einer fast alles vernichtenden Blutorgie unter, da die Virals eine teuflische Methode der Vermehrung einsetzten.

Das aber war nur der Beginn des grandiosen Romans, in dem dann ein Zeitsprung in eine spätere Zeit folgte, in der es in den zerfallenen USA Regionen mit Überlebenden gab. Sie mussten nicht nur ständig auf der Hut vor Viral-Überfällen sein, nun tauchte auch Amy auf, das Mädchen aus dem Nirgendwo. Sie war einst die letzte Versuchsperson im Testlabor von Colorado gewesen und hatte die vervollkommnete Version der Umwandlungsdroge erhalten. Offenbar der Grund dafür, dass sie ohne die teuflischen Eigenschaften der Virals gleichwohl in der Lage war, sich mit diesen telepathisch zu verständigen.

Eine ansonsten fatale Kommunikationsebene, denn die zwölf Ur-Virals und der geheimnisvolle Zero lenken auf diese Weise ihre willenlosen Heerscharen gewöhnlicher Virals. Nach den wahrhaft atemberaubenden Ereignissen dieses Auftaktbandes zu einer Endzeittrilogie legt der renommierte Autor nun mit "Die Zwölf" den Folgeband vor. Der führt zunächst noch einmal zurück in die Zeit des Quasi-Weltuntergangs, wobei einige wichtige neue Figuren vorgestellt werden.

Da ist zum Einen Alicia Donadio, ehemals Soldatin, die sich als eine Art Hybrid-Viral erweist. Obwohl selbst infiziert, ist sie eine übermäßig kampfstarke Amazone im aktiven Kampf gegen die Virals. Doch während es diesmal gelingt, einen der zwölf Ur-Virals zu vernichten, erwächst noch eine andere Geißel der weitgehend ausgerotteten "normalen" Menschen. Da schwingt sich Horace Guilder, einst Mitverantwortlicher für das fatale Experiment von Colorado, zum Führer des "Homelands" auf. An seiner Seite die mit magischen Hypnosekräften ausgestattete Lila Kyle, einst Ärztin und Gattin von Wolgast, einem der "Guten" aus Band I.

Dieses Schreckensduo gehört zu den sogenannten Rotaugen, die durch regelmäßige Gaben infizierten Blutes besondere Kräfte und eine dauernde Regeneration erlangen. Guilder errichtet mit dem Homeland im früheren Iowa einen Staat, der einem riesigen Konzentrationslager gleicht, auf das die Nazis neidisch gewesen wären. Zugleich deutet sich eine äußerst unheilige Allianz Guilders mit den Ur-Virals, den Zwölf, an.

Doch es gibt auch Widerstand durch eine gewitzte Rebellengruppe namens Bello. Als nun die junge Sara (eine Überlebende aus Band I) hier zur Sklavin gemacht wird, sorgt Bello für ihren vorgetäuschten Bombentod, um sie unter anderem Namen bei Lila Kyle einschleusen zu können. Aber auch in der Republik Texas tut sich einiges und schließlich steuert alles auf ein irrsinniges Spektakel zu, wenn die inzwischen erwachsener gewordene Amy auftaucht. Als sie sich gefangen nehmen lässt und als Bello outet, gelingt es in einer regelrechten Schlacht, die noch lebenden Ur-Virals zu vernichten.

Das Ende des Grauens ist das dennoch längst nicht - noch immer existiert Zero. Der "Vater der Zerstörung" war einst mitverantwortlicher Wissenschaftler in Colorado, zwar auch zum Viral umgewandelt, aber im Gegensatz zu den Verbrechern ein hochintelligenter Geist. Ob die dezimierte Menschheit noch eine Chance hat und ob Amy die letzten Hoffnungen erfüllt, muss nun der Abschlussband zeigen.

"Die Zwölf" ist eine würdige Fortsetzung, wenngleich ihr die typischen Schwächen eines zweiten Bandes anhaften, der nicht zu viel verraten darf. So fehlt hier ein wenig die große Magie des Auftaktromans, allerdings vertieft er manche bisherige Figuren und an Action wird ebenfalls nicht gespart. Ein starker Einfall ist im Übrigen die Einführung ins Geschehen mit einer Art biblischer Chronologie.

Fazit: das Warten hat sich gelohnt - ein absolut packender Roman mit einer exzellent gestalteten postapokalyptischen Welt. Zartbesaiteten ist von diesem gewaltgeschwängerten Stück Literatur allerdings gänzlich abzuraten.

 

# Justin Cronin: Die Zwölf (aus dem Amerikanischen von Rainer Schmidt); 829 Seiten; Goldmann Verlag, München; 22,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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