JOHN BANVILLE: "UNENDLICHKEITEN"

Ein Tag auf dem heruntergekommenen irischen Landgut Arden, ein greises Physiker-Genie liegt in den letzten Zügen und seine bunte Familie hat sich um das Sterbebett versammelt. Und doch: dies ist keine wirklich traurige Geschichte, vielmehr eine geradezu kapriöse moderne Fassung von Kleists "Amphytrion" und auch hier erzählt vom Götterboten Hermes, der nach Lust und Laune nicht nur lästert sondern durchaus auch ins Geschehen eingreift.

Ob so etwas klappen kann? Sogar grandios, denn was der irische Erfolgsautor John Banville unter dem Titel "Unendlichkeiten" aus diesem lästerlichen Vexierspiel gemacht hat, fasziniert mit viel Esprit und einem Hermes, der mit berückender Frechheit immer neue Konstellationen arrangiert, als sei das Alles nur ein Theaterspiel. Dabei geht es doch um solch schwergewichtige Themen wie Seelenqualen und Krankheit, um Leben und Tod und auch um die Kunst.

Und inmitten liegt Adam Godley - nicht nur sein Name ist eine der Verspieltheiten des Romans - auf den Tod. An seiner Seite die viel jüngere versoffene Ehefrau Ursula sowie die nicht sonderlich gut geratenen Kinder. Wo die verdrehte Petra als Autistin gänzlich lebensuntüchtig ist, hat der gutmütige schwache Adam junior mit seiner Gattin wenigstens einen optischen Glanzpunkt in die Familie eingebracht.

Als Schauspielerin will die attraktive Helen hoch hinaus, ahnt aber nichts von Göttervater Zeus, den ewig Lüsternen. Da bekommt Hermes sogar einschlägige Anweisungen vom "Paps", damit dieser - er kann bekanntlich in andere Gestalten schlüpfen! - das schöne Dummchen als vermeintlicher Adam junior als kleine Lustbarkeitsübung schwängern kann. Aber auch sonst ist dieser Schabernack der Götter eine hinreißende Neufassung des Amphytrion und die lebt vor allem auch von der ganz und gar unsentimentalen, augenzwinkernden Erzählperspektive des Götterboten.

Im Übrigen sind diese Götter weder lieb noch böse sondern einfach verspielt, schon aus Langeweile, und treiben ihre Possen: "Weil ich's konnte, und ihr könnt es nicht." Und natürlich endet das verwegene Spiel mit einem Happyend für all die geistreich erfundenen Akteure, selbst für Godley senior tut sich Erfreuliches. Für diesen Champagner der feinen literarischen Art - übrigens meisterhaft von Christa Schuenke ins Deutsche übertragen - wünscht man sich nun eine kongeniale Verfilmung, für die ein Woody Allen sicher eine gute Wahl wäre. Fazit: ein großartiger Stilist beweist, dass er nicht nur edle sondern ebenso witzig-charmante Literatur zu schreiben versteht.

 

# John Banville: Unendlichkeiten (aus dem Englischen von Christa Schuenke); 319 Seiten; Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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