AMY SACKVILLE: "RUHEPOL"

Einen in ihrer britischen Heimat bereits hoch gelobten Debütroman legt Amy Sackville mit "Ruhepol" vor, einer ruhig erzählten Geschichte zweier gegensätzlicher Beziehungen. Dem seit zehn Jahren verheirateten Paar Julia und Simon, die außerhalb Londons leben, steht das zur Legende gewordene Liebespaar Emily und Edward Mackley gegenüber.

Julia hat das alte viktorianische Haus ihres Onkels geerbt und sie selbst ist die Urgroßnichte des Nordpolforschers Mackley. Während Ehemann Simon im nahen London als Architekt arbeitet, hat die junge kinderlose Frau ihren Job als Archivarin aufgegeben und widmet sich ganz der vielfältigen Hinterlassenschaft des einst im ewigen Eis verschollenen Vorfahren. Fasziniert studiert sie die Zeugnisse seiner wagemutigen Forschungsreise zum Pol, auf der er 1901 umkam.

Noch mehr berührt Julia jedoch das Verhalten von Mackleys sehr junger Frau Emily, die ihrem geliebten Edward in unverrückbarer Hingabe 60 Jahre lang die Treue hielt. Als dann 1959 die sterblichen Überreste des Forschers samt seinem Tagebuch gefunden wurden, "weinte sie vor Stolz, und weil es so schade war, und sie starb noch im selben Sommer."

Julia trifft das umso intensiver, als ihre eigene Ehe längst Risse bekommen hat. Wie ohnehin die wechselnden Perspektiven des Erzählens für eine subtile Spannung sorgen, wenn Julia an einem heißen Sommertag über ihre erkaltete Liebe nachdenkt und zugleich die heiße Leidenschaft zwischen Emily und Edward dem eisigen Tod des Geliebten entgegensteht. Und doch macht Julia gerade an diesem Tag eine überraschende Entdeckung, denn es gibt da ein Familiengeheimnis, das die ewig trauernde Emily in ein anderes Licht stellt.

Zwei gelebte Konzepte von Liebesbeziehungen stehen hier einander gegenüber und es bleibt nur zu ahnen, ob es nur das lange spurlose Verschwinden Edwards war, das dieser Ehe das Ermüden und das Zerbröckeln der Kommunikation erspart hat. Mit beeindruckender Souveränität wechselt die Autorin zwischen den Erzählebenen. Hervorragend gelungen sind dabei auch die feinen Charakterzeichnungen, zugleich überzeugt die poetische und doch nie schwülstig werdenden Sprache - ein Lob gebührt hier der deutschen Übersetzung. Fazit: eine anspruchsvolle Liebesgeschichte, die ein ruhiges und doch fesselndes Lesevergnügen bietet.

 

# Amy Sackville: Ruhepol (aus dem Englischen von Eva Bonné); 351 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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