GISA KLÖNNE: "NICHTS ALS ERLÖSUNG"

Kriminalhauptkommissarin Judith Krieger leidet besonders unter der Hitzewelle des August, zumal sie seit 52 Tagen Nichtraucherin ist. So streift sie sich leichte Kleidung über, joggt in die flirrende Nacht und stolpert geradezu in einen neuen Fall. Am Rheinufer in Sichtweite des Doms liegt ein Toter auf der Wiese, so exekutiert, dass er kein Gesicht mehr hat.

Damit beginnt "Nichts als Erlösung", der mittlerweile fünfte Judith-Krieger-Krimi von Glauser-Preisträgerin Gisa Klönne, der sich bald schon zu einer nervenaufreibenden Schnitzeljagd mit dem Mörder entwickelt. Mit einer seltsamen Zwiesprache meldet der sich selbst in Einschüben auch zu Wort und erst allmählich erkennt die Ermittlerin, dass ihr der raffinierte Täter nicht nur stets einen Schritt voraus ist, er bezieht Judith in seinen perfiden Plan unmittelbar mit ein.

Zunächst aber ist es schwierig genug, die Identität des Opfers zu klären. Die bringt eine Überraschung, denn dieser 42-jährige Jonas Vollenweider lebte zwar seit Jahren als Tauchlehrer auf Samos, doch vor 20 Jahren war er für einige Zeit der Hauptverdächtige in einer spektakulären Familientragödie. Die Eltern und seine Schwester wurden damals den eindeutigen Spuren gemäß in ihren Haus abgeschlachtet, die Leichen jedoch nie gefunden. Rätselhaft ist dabei, warum Jonas das Mordhaus all die Jahre gewissermaßen konserviert hat. Und warum er ausgerechnet jetzt bei seinem Kurztrip nach Köln, um es nun endlich zu verkaufen, sterben musste.

Judith rotiert, denn ihr werden anonyme Fotos zugeschickt, mal vom Mordhaus, mal von Orten, an denen dann etwas geschieht. Während ihr Kollege Manni Korzilius zu Hochform aufläuft, wird vor allem sie vom Boulevard-Journalisten René Zobel genervt. Der ist clever, ehrgeizig und vor allem skrupellos in seinen Methoden und mit viel Spürsinn gesegnet. Immer wieder hat er den richtigen Riecher, wenn die Ermittler noch weiter in die Vergangenheit zurückgehen müssen und sich der Verdacht erhärtet, dass es hier um Rache, um Vergeltung geht.

Ist der Mörder ein ehemaliges Heimkind? Diese Vermutung drängt sich zunehmend auf, denn die Vollenweiders leiteten bis 1981 das bereits zu NS-Zeiten gegründete "Kinderheim Frohsinn", in dem gerade der nie eine Chance hatte. Es eröffnte sich ein ebenso düsteres wie brisantes Kapitel deutscher Vergangenheit, als die Beamten auf ehemalige Heimkinder stoßen. Vater Vollenweider war hier einst selbst Opfer der sogenannten schwarzen Pädagogik, die mit Zucht, Drill, Misshandlungen und Ausbeutung arbeitete, und er verfolgte mit seiner Frau offenbar dieselben Methoden.

Mühsam gestaltet sich die Aufklärung und obgleich der Mörder immer mehr von seinen Motiven erläutert, bleibt sehr lange unklar, wer er sein könnte und was er als "Erlösung" anstrebt. Die Zeugen von damals aber versuchen zu mauern, um nicht alte Wunden wieder aufzureißen, während Judith wie Manni auch von sehr privaten Problemen umgetrieben werden - so wird Korzilius Vater und tut sich wegen seiner eigenen Kindheit schwer mit dem Gedanken.

Wohin das dramatische Finale schließlich führt, soll hier nicht verraten werden, auf jeden Fall fesselt dieser ungemein dicht und authentisch geschriebene Roman bis zuletzt. Dabei zeigen die erneut exzellenten Charakterzeichnungen bis in die Nebenreollen hinein wie auch die direkte und zuweilen harte Sprache die ganze Meisterschaft der Autorin. Bleibt nur der Wunsch nach weiteren Fällen mit diesem überzeugenden Ermittlerpaar und die Frage, wann es endlich die erste filmische Umsetzung gibt.

 

# Gisa Klönne: Nichts als Erlösung; 347 Seiten; Ullstein Verlag, Berlin; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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