DeROGATIS/KOT: "BEATLES GEGEN ROLLING STONES"

Es war eine Verlegeridee, den angeblichen Gegensatz der "Fab Four" und der "Größten Rock & Roll Band der Welt" doch einmal gründlich analysieren zu lassen. Gewonnen wurden dafür Jim DeRogatis und Greg Kot, beide Musikkritiker aus Chicago, die u.a. eine gemeinsame Radioshow bestreiten.

Herausgekommen ist dabei ein umfangreicher Textbildband unter dem Titel "Beatles gegen Rolling Stones. Die großen Rock 'n' Roll Rivalen". Ein großes Hologramm ziert das Cover, das je nach Blickwinkel die eine oder die andere Band zeigt. Auch drinnen werden selbst Fans aus derselben Generation wie die Stars verzückt sein über die Fülle von großenteils seltenen Fotos, wogegen die zwei aufklappbaren Zeittafeln zum musikalischen und sonstigen Weltgeschehen etwas eigenwillig und sehr US-lastig geraten sind.

Das Streitgespräch der beiden Autoren allerdings lässt schon in der Einleitung wenig Verheißungsvolles ahnen, wenn die Fragestellung lautet: "Wer ist cooler - die Beatles oder die Rolling Stones?" Das ist seltsam daneben, wird aber auch entsprechend gefällig beantwortet, nämlich nichtssagend und ganz gewiss nicht objektiv. Das beginnt schon bei den Anfängen, schließlich begannen die Beatles ihre Karriere mit Rock & Roll und hatten ab 1960 wilde Zeiten in Hamburg, während die Stones bei ihrem Start im Sommer 1962 auf Rhythm & Blues eingeschworen waren und Rock & Roll sogar ablehnten.

Dann der kometenhafte Aufstieg der Beatles, der von Anfang an von starken Eigenkompositionen geprägt war, wogegen die Stones es Ende 1963 ausgerechnet mit dem Beatles-Song "I wanna be your Man" erstmals in die Top 20 schafften. Richtig ist, dass die Manager das Image für die Karrieren formten, und während die Beatles anfangs durch Brian Epstein mit einheitlichen Anzügen und den Pilzkopf-Frisuren massenkompatibel getrimmt wurden, sah Andrew Loog Oldham angesichts der flächendeckend ausgebrochenen Beatlemania mit cleverer Weitsicht das Heil im Gegensatz. Wild, langmähnig und mit ungebärdigen Bühnenauftritten offerierte Oldham die Stones als rauen, rüpeligen Gegenentwurf.

Die Autoren treffen aber schon hier recht ungenaue Gewichtungen, denn während die Beatles die Helden einer neuen, aufregenden Musik und zugleich Begleitgesang der aufbrechenden Jugendrevolution waren und als solche ab Januar 1964 auch die USA und den Rest der westlichen Welt eroberten, tummelten sich die Stones mit allerlei Coverversionen im Tross einer ganzen Reihe von rebellischen Bands. Erst 1965 hatten auch sie mit "The last Time" die erste selbstgeschriebene Nummer 1 und den frühen Glanzstücken der Beatles-LPs mit immer mehr Eigenkompositionen setzten sie ein solches erst 1966 mit dem allerdings großartigen "Aftermath" entgegen.

Manche fehlerhaften oder unverständlichen Gewichtungen sind dabei offensichtlich der Tatsache geschuldet, dass hier zwei Kritiker tätig wurden, die nicht nur räumlich sondern vor allem auch altersmäßig aus der Ferne urteilen. Zeitgenossen jener Hochzeit, als beide Bands mit ihrer Kreativität und Dynamik begeisterten, wissen sehr wohl, um wie viel höher in schöpferischer Qualität und im Einfluss für die gesamte Popmusikgeschichte die Beatles einzuschätzen sind.

Musikalisch wie technisch stets voraus, wurde die herausragende Musikalität insbesondere des Komponistenduos Lennon/McCartney selbst wissenschaftlich bestätigt. Unbestritten bleibt, dass die Stones schon in den 60ern die viel größeren Bühnenauftritte boten. Doch selbst mit Juwelen wie dem "Let it bleed"-Album kommen auch sie nicht an den Geniestreich "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band" heran - Heerscharen von Musikkritikern lassen keinen Zweifel daran.

Es empfiehlt sich somit, die ohnehin im lockeren Plauderton gehaltenen Wertungen der Autoren nicht zu ernst zu nehmen, zumal sie weder mit neuen Erkenntnissen noch gar mit Überraschungen aufwarten. Stattdessen genieße man einfach das ansonsten gut aufgemachte Gesamtangebot samt allerlei schöner Anekdoten.

Kleiner inoffizieller Anhang für Statistikfreunde:

Top-Hits der Beatles:

Großbritannien 16 (1963-1969)

USA 20 (1964-1970)

Top-Hits der Rolling Stones:

Großbritannien 8 (1964-1969)

USA 8 (1965-1978)

 

# Jim DeRogatis/Greg Kot: Beatles gegen Rolling Stones. Die großen Rock 'n' Roll-Rivalen (aus dem Amerikanischen von Alan Tepper); 192 Seiten, div. Abb., Großformat; Hannibal Verlag, Höfen; € 39,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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