HUGO HAMILTON: "DER IRISCHE FREUND"

Die Fremdheit eines Einwanderers thematisiert Hugo Hamilton in seinem neuen Roman "Der irische Freund", doch zugleich verbirgt er einen Spiegel der Selbsterkenntnis seiner eigenen Heimat, die Republik Irland, darin.

Es erweist sich als eleganter Kunstgriff, dass der irische Erfolgsautor mit der deutschen Mutter dabei den serbischen Bautischler Vid selbst erzählen lässt. Da der so manches in der neuen Sprache nicht recht einordnen kann und immer wieder Redewendungen oder Witze missversteht, drückt er sich sehr einfach aus. Just darin aber liegt eine gewisse Raffinesse der Entlarvung. Doch mag Vid auch schwerfällig im Denken sein und die neue Heimat als rau und fremd empfinden - er will sie sich aneignen, sich in sie hineinleben.

Um so williger begrüßt er die Begegnung mit dem einheimischen Rechtsanwalt Kevin Concannon. Der ist nicht nur weltoffen, klug und witzig, der vereinnahmt Vid im Nu als neuen Freund, dem er auch umgehend etliche Aufträge zuschanzt, unter anderem in seinem Haus. Kevin geht es prächtig, er hat eine Mutter, zwei Schwestern und die attraktive Freundin Helen.

Warum Kevin ausgerechnet ihn zum besten Freund erklärt, versteht Vid ebenso wenig wie die typisch irische Art der Freundschaft, die vom Start weg nicht wächst sondern gleich voll da ist. Mit tückischen Folgen, wenn solch ein Freund derartig dominant und unbeherrscht ist und der reichliche Alkoholgenuss ihn schnell enthemmt. Wodurch es prompt zu einer folgenreichen Entgleisung kommt, als Vid in seinem Streit angegriffen wird und Kevin gleich so berserkerhaft dazwischengeht, dass sie nur noch flüchten können.

Doch es ist Vid, der den Kopf hinhalten muss, allerdings mit Kevins Unterstützung als Anwalt. In seiner unterwürfigen Loyalität wagt Vid nicht, den wahren Hergang aufzudecken. Das hat jedoch Gründe auch in traumatischen Erlebnissen in seiner serbischen Kindheit. Schon die Ahnung, was sein Vater als Geheimdienstoffizier im alten Jugoslawien alles getan haben mochte, wäre ja eine seelische Belastung. Da ist jedoch auch jener schwere Autounfall, bei dem er beide Eltern verlor. Langsam aber werden die Erinnerungsstücke größer und das Bild genauer - der Unfall war ein Mordanschlag, bei dem seim Vater offenbar aus Rache erschossen wurde.

Auch als Vid immer mehr in das Familiengeschehen der Concannons hineingezogen wird, bleiben die Missverständnisse und Verwirrungen und der schwierige irische Freund ein Fremder für ihn.Je näher sie ihm zu kommen scheinen, desto weniger hat er das Gefühl dazu zu gehören. Und er schiebt die Schuld auf das eigene Unvermögen, weil er den Hang zum Trinken, die ignorante Bigotterie und das narzisstische Selbstmitleid der Landsleute nicht zu durchschauen und schon gar nicht nachzuvollziehenen vermag.

Es ist ein tiefgründiger, melancholischer Roman von herber Schönheit und er fesselt nicht nur mit seiner großen Menschlichkeit sondern auch mit der geradezu beiläufigen überaus kritischen Selbstbetrachtung irischer Gegenwart. Fazit: ein großartig geschriebenes Lesevergnügen in klarer einfacher Prosa und zugleich auf hohem Niveau.

 

# Hugo Hamilton: Der irische Freund (aus dem Englischen von Henning Ahrens); 285 Seiten; Luchterhand LIteraturverlag, München; € 19,99

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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