JEDEDIAH BERRY: "HANDBUCH FÜR DETEKTIVE"

Charles Unwin, der ‚Held’ in Jedediah Berry’s Erstlingsroman „Handbuch für Detektive", ist Schreiber in der Detektei, deren graues Gebäude in der Stadt, deren Name nicht genannt wird, alles andere überragt. Seine Aufgabe ist es, die Notizen des berühmten Detektivs Travis Sivart entgegenzunehmen, zu sichten und zu Berichten zusammenzufassen.

Sein Leben verläuft in äußerst geregelten Bahnen. Für jeden Tag der Woche nimmt er eine genau festgelegte Sandwichsorte mit zur Arbeit. Auch hat er gelernt, mit aufgespanntem Regenschirm Fahrrad zu fahren. Das ist notwendig, da es in der Stadt ständig zu regnen scheint. Lediglich eine Extravaganz gönnt sich Unwin: jeden Morgen zur gleichen Zeit legt er auf dem Weg zur Arbeit einen Stopp beim zentralen Bahnhof ein und beobachtet eine Dame im karierten Mantel auf dem Bahnsteig, in die er sich unsterblich verliebt zu haben scheint.

Seinen Detektiv hat er noch nie gesehen. In der Detektei herrscht eine extreme Hierarchie. Es gibt Unterschreiber, Schreiber, Detektive und Wächter, die über die Aktivitäten der Detekive wachen und diese beschützen. Zwischen den Abteilungen findet keine direkte Kommunikation statt. Nur Boten dürfen zwischen den Abteilungen hin und her wechseln und schriftliche Botschaften überbringen.

Erst als Detektiv Sivart spurlos verschwindet, kommt Fahrt in das so wohlgeordnete Leben des Charles Unwin. Er wird gegen seinen Willen zum Detektiv ernannt, bekommt das Handbuch für Detektive ausgehändigt und soll das Verschwinden des berühmten Detektivs aufklären. Dazu muss er sich an die Schauplätze begeben, die er sonst nur aus den Berichten seines Detektivs kennt.

So lernt er auch das Gegengewicht der großen Detektei kennen, den Zirkus-der-nicht-mehr-wandert. Steht die Detektei für Ordnung, Hierarchie und Organisation, verkörpert der Zirkus genau das Gegenteil, nämlich Chaos, Unordnung und Kriminalität. Hier lernt Unwin die charmante Zauberin Cleopatra Greenwood, die ehemals siamesichen Rook-Zwillinge und eine ganze Galerie schräger und obskurer Charaktere kennen und wird immer mehr in die Fälle seines ehemaligen Detektivs hineingezogen.

Dessen berühmtester Fall war der Tag, der der Menschheit von seinem bedeutendsten Gegenspieler im Zirkus, Enoch Hoffmann, gestohlen worden war. Hier setzt auch der Detektiv wider Willen in seinen Ermittlungen an. Bis in die Träume muss Unwin seine Gegenspieler verfolgen. Und darum geht es letztlich auch: Traumkontrolle. Erst als er erkennt, dass das Handbuch für Detektive noch ein 18. Kapitel hat, das in der Standardausgabe für die einfachen Detektive nicht vorhanden ist, vermag er die Gegenwart und die Fälle der Vergangenheit neu zu bewerten.

Krimi, Parodie, Satire, Fantasy, Allegorie, Märchen – Berrys "Handbuch für Detektive" lässt sich kaum nur einem Genre zuordnen, hat es doch von allem etwas und spielt gekonnt mit den Grenzen dieser Kategorien. Den Roman in die Nähe von Franz Kafka zu rücken, wäre sicher übertrieben. Von der Atmosphäre dieser ewig verregneten Stadt ohne Namen mit der alles überragenden Detektei, dem Zirkus-der-nicht-wandert oder der Kaschemme "Zum letzten Nickerchen" geht jedoch schon eine Stimmung aus, die an Kafka erinnert.

Lesenswert ist der Roman auf jeden Fall, lässt er dem Leser doch genug Möglichkeiten, das Alles auf unterschiedliche Weise zu lesen, sei es als Allegorie auf gegenwärtige gesellschaftliche Entwicklungen, sei es nur als surrealer, skurriler Kriminalfall.

 

 

# Jedediah Berry: Handbuch für Detektive (aus dem Amerikanischen von Judith Schwaab); 383 Seiten; C. H. Beck Verlag, München; € 19,95 ATTO IDE

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