KURT ANDERSEN: "NEULAND"

Ein hinreißendes Amerika-Epos hat der New Yorker Journalist Kurt Andersen mit seinem Roman "Neuland" vorgelegt, das den Leser während einer hochspannenden Zeit im 19. Jahrhundert quer durch den ungeheuer bewegten Kontinent führt.

Man schreibt das Jahr 1848 und während im alten Europa nicht nur in Frankreich Revolution herrscht, geht durch Amerika die elektrisierende Kunde vom Goldrausch in Kalifornien. Und auch sonst ist viel Bewegung und Entwicklung in der Neuen Welt, denn zu hunderttausenden strömen immer neue Einwanderer von den Segel- und Dampfschiffen aus Europa in den New Yorker Hafen. Ob hoffende entwurzelte Habenichtse oder einfach nur Glücksucher, die Stadt brodelt.

Einer dieser auf Abenteuer und Nervenkitzel erpichten Neuankömmlinge ist der junge britische Adelsspross Benjamin Knowles. Im Schmelztiegel New Yorks findet er bald Freunde, allen voran den umtriebigen Reporter und Daguerrotypisten Timothy Skaggs sowie Duff Lucking, einen angeschlagenen Veternanen aus dem amerikanisch-mexikanischen Krieg von 1846. In dessen Schwester Polly verliebt sich Knowles auf den ersten Blick und die angehende Schauspielerin versteht ihr Handwerk derartig gut, dass er nicht mal bemerkt, dass sie ihr Einkommen als Gelegenheitsprostituierte aufbessert.

Als Polly dann unverhofft am Theater scheitert, zieht sie kurz entschlossen mit ihrem jungen Schützling Priscilla fort gen Westen. Ebenso schnell entscheiden sich Knowles, Skaggs und Duff, den Damen zu folgen - wobei die Nachricht von den Goldfunden eine erhebliche Rolle spielt. Nun setzt ein mitreißender Zug voller neuer Geschehnisse ein, denn ein großer Teil des prachtvoll bunten Buches widmet sich dem Goldrausch, der nicht nur Kalifornien massiv verändern sollte. Wie Kurt Andersen ohnehin nicht nur sehr intensiv sondern auch höchst detailfreudig erzählt, diess jedoch so gekonnt einflechtet, dass man quasi en passant einen breiten Fluss an Erkenntnissen aufnimmt.

Neben manch schillerndem Humor sorgt aber auch eine Art literarischer Running Gag für Spannungselemente, denn der junge Adelige hat einen Verfolger, der ihm blutige Rache geschworen hat. Dieser korsische Soldat Drumont macht Knowles für den Tod seines Bruders während der Pariser Unruhen verantwortlich. Doch nicht nur er und die Schicksale der vier Helden werden exzellent miteinander verknüpft, Andersen liebt offenbar auch sogenannte Cameo-Auftritte, wo dann ein Charles Darwin eine kauzige Einlage gibt, Präsident Polk persönlich erscheint oder sich Edgar Allen Poe zu Wort meldet.

Diese abenteuerliche Reise quer durch eine wild bewegte Epoche der blutjungen, überschäumenden USA glänzt insbesondere durch das grandiose Zeit- und Lokalkolorit, das dem Leser begegnet, als seien die Zeilen eben erst mitten aus dem Geschehen heraus niedergeschrieben worden. Fazit: dieser lebenspralle Roman vor sehr realem Hintergrund ist ein großes farbenfrohes Stück Lesevergnügen, zupackend, wild und dennoch auch auf hohem Niveau.

 

# Kurt Andersen: Neuland (aus dem Amerikanischen von Birgit Moosmüller); 896 Seiten; Karl Blessing Verlag, München; € 26,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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