CHRISTIAN von DITFURTH: "DAS MOSKAU-SPIEL"

Man weiß inzwischen, dass es ihn wirklich gegeben hat, jenen Kommandeur einer sowjetischen Frühwarnstation, der 1983 den atomaren Weltuntergang verhinderte, indem er ominöse Alarmsignale vorschriftswidrig nicht an die Staatsführung weitermeldete. Sie waren tatsächlich Fehlanzeigen, die Vorwarnzeit bis zum Start des interkontinenatlen Gegenschlages aber betrug weit weniger als eine Stunde...

Diese reale Ausgangslage von Christian von Ditfurths jüngstem Roman "Das Moskau- Spiel" lässt noch heute schaudern, wenn das Geschehen immer wieder jene Zeit der Paranoia heraufbeschwört, in der der Atomkrieg wahrscheinlicher schien als die Wahrung des Friedens. Die Sowjets waren in Afghanistan einmarschiert und der NATO-Doppelbeschluss sowie das Säbelrasseln von US-Präsident Ronald Reagan führten zu einer nervenzersetzenden Eiszeit mit einem beiderseitigen Raketenwettlauf.

Zunächst aber lenkt der Historiker von Ditfurth in die Gegenwart, wo in Moskau mit Georg Scheffer der fähigste aller BND-Agenten durch einen Autounfall umkommt. Ausgerechnet der Nachwuchsagent Theo Martenthaler soll klären, was wirklich geschehen ist, dabei zeichnet den mit Alkoholproblemen kämpfenden Sturkopf als einziges aus, dass sein Vater Henri in den 80er Jahren für den BND in Moskau residierte. Scheffers Tod erscheint in dem Augenblick als getürkt, als man dem offiziell als Botschaftsmitarbeiter auftretenden Martenthaler statt der Leiche nur noch eine Urne kredenzt.

Dann springt das Geschehen in die Zeit der 80er Jahre, als erst der Breschnew-.Nachfolger Andropow nach 15 Monaten als Generalsekretär das Zeitliche segnet, aber auch dessen Nachfolger Tschernenko im März 1985 schon nach nur 13 Monaten stirbt. In dieser Zeit ist es Vater Martenthaler, der in Moskau auf höchst gefährliche Weise operiert und nicht nur mit hochrangigen KGB-Chargen in Verwicklungen gerät, sondern auch mit einem einflussreichen CIA- Mann. Dieser vertritt in der ebenso angespannten wie geschwächten Phase der Sowjet-Macht den knallharten Kurs seines Präsidenten, für den Entspannungs- und Abrüstungsbemühungen nur "romantischer Quatsch" sind.

Der Roman springt zwischen den Zeitebenen und den Akteuren und man benötigt eine Anlaufzeit, um sich einzulesen. Das aber lohnt allemal, denn der Autor entwickelt ein außerordentlich realistisches Geschehen, das auch verständlich macht, wieso Top-Agent Scheffer 2010 sterben musste wegen Ereignissen aus den 80er Jahren. Das offenbart einen exzellent gezeichneten Mix aus Krimi, Spionagethriller wie auch politischen Bestandsaufnahmen, bei denen viele namhafte Politgrößen gar nicht gut wegkommen. Der Spannungsaufbau wie auch das Zeit- und Lokalkolorit samt jener verführerischen "Nutten, deren Zuhälter KGB hieß" erinnern an jene John le Carre-Romane zum Genre aus dessen besten Zeiten und absolut filmreif ist "Das Moskau-Spiel" sowieso.

Christian von Ditfurth hat wiederholt geglänzt mit Romanen zur jüngeren deutschen Geschichte, die dem in Deutschland leider wenig gefrönten Ansatz des "Was wäre wenn" folgten. Hier nun überzeugt er mit einer anderen Variante: vordergründig bleibt alles so, wie es historisch belegt ist, doch werden Hintergrundereignisse eröffnet, die fiktiv sind, aber durchaus realistisch sein könnten. Wobei es hier um ziemlich ungeheuerliche Vorgänge geht - mehr jedoch sei nicht verraten vom Ausgang dieses hervorragend geschriebenen Thrillers, der bei aller Sachlichkeit in den Bann schlägt.

 

# Christian von Ditfurth: Das Moskau-Spiel; 448 Seiten; Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln; € 19,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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