STEVE TOLTZ: „VATERMORD UND ANDERE FAMILIENVERGNÜGEN"

Mit seinem monumentalen Debütroman „Vatermord und andere Familienvergnügen" hat es der australische Autor Steve Toltz bis auf die Shortlist des Booker-Preises gebracht. Dabei ist diese himmelschreiende Familiensaga eine unaufhörliche Schmähschrift gegen jede 'political correctness'. Mal für, mal gegen Religiöses, Politisches, Sex, Ehe, Freunde, Kunst und und und.

Haupterzähler ist Jasper Dean, etwa Mitte 20 und im Knast – aus Gründen, die wir erst später erfahren – von wo aus er eine Art Lebensbericht abgibt. Mittendrin kommt allerdings passagenweise auch seine paranoider Vater Martin zu Wort, ein Philosoph von der Sorte, die ihren Sohn aus dem Kindergarten nehmen, um ihm lieber daheim die Schriften Nietzsches angedeihen zu lassen. Von der nicht existenten Mutter erfährt man nur Ungefähres, um so präsenter ist Vaters liederlicher Halbbruder Terry Dean.

Hatte Jaspers Vater Martin als Kind schon unter der aggressiven Antipathie seiner Eltern zu leiden, war die schwerste Bürde dieser Terry. Der erwarb sich als Schwerverbrecher eine Art Heldenruhm im ganzen sportverrückten Australien, als er etliche Sportgrößen umbrachte, nachdem sie des Dopings oder anderer Betrügereien überführt worden waren. Endgültig zum Märtyrer wurde er durch seinen tragischen Tod im Knast. Zuvor schon litt Martin in einem hoffnungslosen Liebesdreieck mit Terry und Caroline Potts. Nun aber macht es ihn fertig, dass alle Welt ihn ständig nach Terry fragt, obwohl er selbst doch nicht nur ein hochmögender Moralist sondern dank diverser skurriler Ideen sogar ein großartiger Wohltäter ist. Stattdessen scheint ihn jedermann zu hassen.

Sohn und Erzähler Jasper aber schwankt zwischen dem Onkel-Verbrecher-Helden und seinem Vater, mit dem ihn seit jeher eine gegenseitige herzhafte Abneigung verbindet. Der Wirbel von Beziehungsunfähigkeit, Selbsthass und guten Absichten, die sich stets geradezu konsequent ins Gegenteil verkehren, durchzieht diese verquere, abstruse Familiensaga mit verschiedenen Spannungsbögen, die ein Happyend unmöglich machen. Bis dahin aber jongliert der Autor unaufhörlich und genüsslich auf dem schmalen Grat zwischen Wahnsinn und Normalität, die im Endeffekt allenfalls ein Plädoyer für eigensinnige Originalität der tragikomischsten Ausformung gewährt.

Sie sind eine total bekloppte Sippe, diese Deans, tun sich schwer mit jeglichem Sympathischsein und dennoch ist dieser rasant fabulierte Chaos-Roman ein faszinierend provokantes Stück Literatur. Steve Toltz besticht mit ebenso galligem wie sezierendem Blick auf Menschlich-Allzumenschliches und mag seine zielsichere Sprache dabei auch schnörkellos bis rabiat sein, so erstaunt das Alles doch mit einer heiteren Lässigkeit.

 

# Steve Toltz: Vatermord und andere Familienvergnügen (aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann); 792 Seiten; Deutsche Verlagsanstalt, München; € 22,95 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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