HENNING MANKELL: „DER FEIND IM SCHATTEN"

Neun Romane hat Henning Mankell um den südschwedischen Kommissar Kurt Wallander geschrieben und diesen Polizisten mit dem Hang zu Schwermut und Eigensinn zu einer regelrechten Kultfigur werden lassen. Entgegen früheren Absichten hat der schwedische Erfolgsautor nun doch noch einen letzten Wallander-Roman verfasst.

Der Feind im Schatten" setzt eher behäbig ein und man darf schon vorweg verraten, dass er als Krimi wenig spektakulär ist und die Handlung auch weiterhin recht ruhig dahinfließt. Dennoch fesselt dieser sich erst allmähliche entfaltende Fall von Beginn an durch die so nie erlebte Nähe zur Person Wallanders. Der ist nun 60, hat sich als Altersruhesitz einen alten Bauernhof am Meer gekauft und einen Hund zugelegt.

Doch es quälen ihn die Gespenster des gnadenlos vorrückenden Alters, wobei die Belastung durch Diabetes und Übergewicht noch durch das Gefühl von Einsamkeit und Isolation erschwert wird. Wirklich beunruhigt aber ist er wegen dieser zuweilen auftretenden Gedächtnisaussetzer, regelrechte Blackouts. Ein solcher Filmriss führt dann zu einem unverzeihlichen Fehltritt: in alkoholisiertem Zustand vergisst Wallander seine Dienstwaffe in einem Restaurant. Die umgehenden Presseberichte lassen gar keine andere Wahl zu als die Suspendierung bis zur Entscheidung über eine Disziplinarstrafe.

Einziger Lichtblick in dieser trostlosen Phase ist das erfreulich aufgehellte Verhältnis zu Tochter Linda, die als Polizistin beurlaubt ist, da sie ein Kind erwartet. So gerät Wallander auf den 75. Geburtstag von Lindas Quasi-Schwiegervater Hakan von Enke in Stockholm. Der erzählt ihm vertraulich von seiner Zeit als hoher Marineoffizier, während der er besonders mit jenem nie aufgeklärten Eindringen mutmaßlich sowjetischer U-Boote in schwedische Küstengewässer Anfang der 80er Jahre zu tun hatte. Noch jetzt empört er sich darüber, dass die erfolgversprechenden Angriffe auf die Eindringlinge von ganz oben unterbunden wurden.

Wallander kann mit diesen Ausführungen wenig anfangen, denn er hat sich auch in den Zeiten des Kalten Krieges nie sonderlich für Politik interessiert. Um so mehr elektrisiert ihn Tage später das spurlose Verschwinden des Marine-Veteranen. Zeit genug hat Wallander ja, also beginnt er gewissermaßen aus familiären Gründen und ganz privat ein wenig zu ermitteln. Zunächst stößt er dabei auf eine geheimgehaltene Tochter von Hakan und Louise, die schwerstbehindert in einem Heim lebt. In ihrem Zimmer hat Hakan, der sie als einziger besucht, wichtige Unterlagen versteckt. Noch mysteriöser wird das Ganze, als dann auch noch Louise verschwindet.

Sie jedoch findet man tot und wie schließlich herauskommt, nicht durch eigene Hand gestorben. Vor allem aber findet man bei ihr geheimes Material, das nur einen Schluss zulässt: diese so feine Frau aus besten Kreisen, seit Jahrzehnten glücklich verheiratet, war eine Spionin für die Sowjetunion und auch noch für das spätere Russland! Wallander aber als Querdenker mit seiner phänomenalen Intuition spürt den abgetauchten Marine-Offizier auf und kommt hinter schwerwiegende Geheimnisse. Doch was sind die wirklich wert: „Nichts ist das, als was es sich ausgibt."

Das Alles entwickelt sich schließlich zu einem durchaus spannenden Finale mit jenem Feind aus dem Schatten. Dennoch liegt die wahre Qualität des Buches in diesem sehr persönlichen Abgesang auf Kurt Wallander, mit dem Mankell seinem so schwierigen Helden einen würdigen Abschluss gewährt. Das bewegt, wenn dem alternden rastlosen Einzelgänger selbst die Freude an Enkeltochter Klara durch die immer dunkler heraufziehenden Schatten von Alzheimer getrübt werden. Fazit: ein durchschnittlicher Krimi, aber ein großer ebenso tiefsinniger wie melancholischer Roman über das Leben und das Altern.

 

# Henning Mankell: Der Feind im Schatten (aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt); 591 Seiten; Paul Zsolnay Verlag, Wien; € 26

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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