VIKAS SWARUP: „IMMER WIEDER GANDHI"

Der große indische Erfolgsfilm „Slumdog Millionär" beruhte auf dem Debütroman „Rupien Rupien" von Vikas Swarup. Nun legt der indische Diplomat sein neues Werk vor und „Immer wieder Gandhi" ist ein ausgemachter Krimi mit viel dunklem Humor und einer Grundlinie, die vermeintlich einfach und seit Agatha Christies Zeiten etwas altbacken geworden ist.

Im Orginal heißt der Titel „Sechs Verdächtige" und diese bekommen jeder ihr Kapitel, wobei ihre Verbindung zueinander scheinbar willkürlich auf Zufall getrimmt wirkt. Alle sechs werden auf einer Party verhaftet, als die Polizei nach einem Mord auffällig schnell erscheint. Das Opfer ist Vivek „Vicky" Rai, ein absoluter Übelfinger von Geschäftsmann und Playboy und jeder der sechs hatte nicht nur ein Motiv, jeder von ihnen hatte auch eine Waffe bei sich.

Man muss wahrlich kein Mitleid mit Vicky empfinden, denn der war nicht nur korrupt, skrupellos und höchst arrogant. Die Party, auf der das Verbrechen geschah, gab er aus einem geradezu perversen Anlass: vor sieben Jahren hatte er in einem feinen Lokal eine Kellnerin erschossen, weil diese ihm nach der Sperrstunde keinen Drink mehr servieren wollte. Zum erneuten Freispruch nach einer Straftat verhalfen ihm aber außer Geld und Macht auch der Umstand, dass er der Sohn des Innenministers von Uttar Pradesh war, wobei dieser Jagannath Rai mindestens ebenso bösartig wie sein Sohn ist.

Der deutsche Titel ist ein wenig irreführend, denn Gandhi spielt nur insoweit eine Rolle, als der Mordverdächtige Mohan Kumar, ein hochrangiger und gleichfalls korrupter Bürokrat, sich nach einer gestörten Geisterbeschwörung von Gandhis Seele infiltriert fühlt, wenn auch nur zur Hälfte seines Wesens. Die einzige weibliche Verdächtige ist der eingebildete Bollywood-Star Shabnam Saxena, während der einzige Ausländer ein Ausbund an Dämlichkeit ist, ein Texaner namens Larry, der ausgerechnet in Indien auf Brautschau ist.

Wirklich sympathische Figuren sind dagegen nur Munna, ein kleiner Gauner mit einer durch die Giftgaskatastrophe von Bophal schwer geschädigten Partnerin sowie Eketi. Dieser schmächtige Eingeborene von den Andamanen-Inseln ist sehr naiv im Umgang mit Menschen und schon damit ein besonders interessanter unter den Ich-Erzählern. Und dann gibt es noch den sechsten Verdächtigen und allmählich erschließt sich auch, wie wenig zufällig ihre Verbindung zueinander in Wirklichkeit ist.

Swarup entfaltet das Alles recht komplex und dennoch in hohem Maße fesselnd. Vor allem gelingt es ihm bestens, den großartigen Plot in eine fulminante Überraschung münden zu lassen. Die hohen Qualitäten dieses Romans liegen aber außer in dem intelligent geknüpften Reigen mit viel Gesellschaftskritik am modernen Indien auch in der feinen Prosa, für deren stilvolle Übersetzuung Bernhard Robben besonderer Dank gebührt. Fazit: Spannungslektüre sehr eigener Art auf glänzendem literarischen Niveau.

 

# Vikas Swarup: Immer wieder Ganghi (aus dem Englischen von Bernhard Robben); 624 Seiten; Kiepenheuer & Witsch Verlag, Köln; € 22,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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