JAY ASHER: „TOTE MÄDCHEN LÜGEN NICHT"

Beklemmend und hochspannend ist Jay Ashers Jugendroman „Tote Mädchen lügen nicht". Es geht darin um Hannah Baker, Schülerin einer amerikanischen Highschool, etwa vergleichbar einem deutschen Gymnasium. Sie hat sich umgebracht, doch zuvor verschickte sie eine Sammlung von sieben besprochenen Tonbandkassetten an die 13 Personen, die jede für sich und auf ihre Weise dazu beigetragen haben, dass sie sich Leben genommen hat.

Das Paket soll von einem zum anderen weitergeschickt werden und gleich der erste Empfänger, ihr Mitschüler Clay, steht nun in einer so virtuosen Dramaturgie als Gegenpol eines indirekten Dialoges im Mittelpunkt, dass es den Leser sofort und bis zur letzten Zeile in den Bann schlägt. Clay begreift lange nicht, wieso er zu den Mitverantwortlichen gehören soll, denn er hat Hannah heimlich geliebt, sich jedoch nicht getraut, ihr das zu sagen. Und sich zu ihr zu bekennen, denn je weiter man der nüchtern anklagenden Stimme des toten Mädchens lauscht, desto offensichtlicher wird, dass ihr der Ruf einer Schlampe anhaftete.

Völlig zu unrecht, wie sich erst allmählich herausschält. Als Schulneuling hatte sie sich in harmloser Absicht mit einem Jungen geküsst, den sie für diese Premiere ausgeguckt hatte. Unglücklicherweise war der jedoch ein angeberisches Großmaul, das dann bei seinem Herumerzählen das unschuldige Knutschen mit schlüpfrigen Geschichten über Hannah anreicherte. Aus den Gerüchten wurden im Nu üble Verleumdungen, die das sensible Mädchen alsbald in die Rolle einer Außenseiterin und Einzelgängerin drängten.

Wie sehr sie in ihrer Hilflosigkeit immer wieder in ihren Empfindungen verletzt wurde, eröffnet sich Clay wie auch dem Leser auf so direkte und glaubhafte Weise, dass es tief unter die Haut geht. Und Clay muss erkennen, wie sehr auch er versagt hat, weil er nicht zu ihr gestanden hat. Wenngleich die meisten der 13 Adressaten weitaus größeren Anteil an Hannahs Verzweiflung hatten. Ihre Hilferufe blieben ungehört, im Nachhinein jedoch hält sie allen vor, was sie mit ihren Gemeinheiten angerichtet haben. Deshalb dieses Abschiedspräsent mit der bitteren Mahnung: „Alles, was wir tun, hat Einfluss auf das Leben eines anderen."

Fazit: dieser Roman macht es nicht nur jungen Lesern ab etwa 14 unmöglich, danach einfach zur Tagesordnung überzugehen, zumal es wirklich nicht einfach „typisch amerikanisch" ist.

 

# Jay Asher: Tote Mädchen lügen nicht (aus dem Amerikanischen von Knut Krüger); 283 Seiten; cbj Verlag, München; € 14,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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