ANGELIKA OVERATH: „FLUGHAFENFISCHE"

In der unruhigen anonymen Welt eines westeuropäischen Großflughafens spielt Angelika Overaths zweiter Roman „Flughafenfische". Während Elisabeth, Fotografin für Hochglanzmagazine, und der Aquarist Tobias einander hier begegnen, bleibt der dritte Protagonist, ein alternder Professor für Biochemie und Vielflieger, eine Figur, deren Verlorenheit durch das Fehlen jeden Kontaktes noch unterstrichen wird.

Elisabeth, allgemein Elis genannt, ist auf ihrem Rückflug von einem Auftrag in Asien nur auf der Durchreise, empfindet in ihrer Übermüdung und in Gedanken an die Auflösung ihrer jüngsten Beziehung eine tiefe Orientierungslosigkeit. Um so konkreter steht Tobias in seinem Solo-Dasein als Erbauer und Verantwortlicher für das riesige Meerwasseraquarium mitten im Pubikumsbereich des Flughafens. Mit einer gewissen Selbtszufriedenheit, die aber mehr von Pflichtgefühl als von Glücksempfinden geprägt ist, reflektiert er über sein von Vielen bestauntes Werk. Er lebt so sehr von und mit seinen Aquariumsbewohnern, dass er an nichts anderes denkt und in seinem Wissen schwelgt.

In dieser Stille begegnen sich die verunsichterte Elis und der mitteilsame Tobias irgendwann. Ob aus ihrer vagen allmählichen Annäherung mehr wird, bleibt ebenso offen wie der weitere Weg des Professors, der im stummen Selbstgespräch um Verstehen ringt, wieso seine verwöhnte Ehefrau ihm nach 30 Ehejahren schnöde per SMS den Laufpass gegeben hat. Rauchen und Whisky vernebeln den ausgesprochen maskulinen Blickwinkel seiner einsamen Grübeleien nur unzureichend.

Die beeindruckendsten Szenen in dieser klugen und kühlen Beschreibung einer durchaus typischen Flughafenwelt haben jedoch nur mittelbar mit den Dreien zu tun, sei es die Kellnerin beim penibel beäugten Öffnen von Austern, sei es die ungleich unbarmherzigere chinesische Wachtelverkäuferin mit ihren grausigen Tötungsakten im Sekundentakt. Das Alles berührt gerade, weil es in dieser Mischung aus Unwirklichkeit und realen Begebenheiten schwebt, die Angelika Overath als genaue Beobachterin mit nüchterner Sprachgewalt in magische Sätze zu fassen versteht. Fazit: ein kleiner aber feiner Roman, kühl und doch mit viel berührendem Nachhall.

 

# Angelika Overath: Flughafenfische; 174 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 17,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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