SACI LLOYD: „EUER SCHÖNES LEBEN KOTZT MICH AN!"

Der Titel lautet „Euer schönes Leben kotzt mich an!" und dieser Jugendroman hat beste Chancen, zugleich das schlimmste und das beste Jugendbuch des Jahres zu werden. Dabei lautet der Untertitel von Saci Lloyds Debüt eher unscheinbar „Ein Umweltroman aus dem Jahr 2015".

Doch gerade diese so nahe Zukunft ist das wahrhaft Erschreckende an diesem Tagebuch der anfangs 15-jährigen Laura aus London, das vom ersten bis zum letzten Tag dieses Jahres reicht und mit Horror der ganz realen Art aufwartet. Am 5. Januar trägt Laura ein, dass die Energiekarten eingetroffen sind, nach denen jedem Einzelnen eine 200-Punkte-Ration zugestanden wird. Sinn der Maßnahme ist die Reduzierung des CO2-Ausstoßes auf 60 Prozent des bisherigen.

Das hatte man in der EU für das Jahr 2030 beschlossen, Großbritannien aber ist nun vorgeprescht nach dem entsetzlichen Großen Sturm vom Dezember 2012, der eine Woche wütete, tausende von Menschenleben sowie Millionen von Privathäusern kostete und einschließlich riesiger Verluste an landwirtschaftlichen Flächen Schäden von 200 Milliarden Euro veursachte. Der Start verläuft unglücklich mit Schneestürmen und Kältewelle, wobei die Energievorräte knapp werden und es im Februar sogar zu Aufruhr in manchen Städten kommt.

Laura schildert das aus ihrem privaten Miterleben, selbst zunächst ungläubig über das Drosseln der Heizung, das Reduzieren sämtlicher elektrischer Geräte und vielem mehr. Schon bald hat sie die Erkenntnis: „Das was das Beste am unbegrenzten Energieverbrauch gewesen – die Freiheit." Die sich viele immer noch einfach nehmen, doch gegen diese Disziplinlosigkeit installiert die Regierung Smartmeter zur Verbrauchsmessung in jedes Haus. Und die stellen gnadenlos den Strom ab zum Beispiel bei zu ausgiebigem Duschen.

Und es kommen die „Energiebullen" von der Energiebehörde, wenn Leute einfach die Energiekarte überziehen. Das passiert auch Lauras Familie, als sich ihre ältere Schwester Kim aufsässig gegen jede Einschränkung verhält – da heißt es sogar Umerziehungsmaßnahme! Aber auch sonst schneiden die Maßnahmen in aller Leben ein, wo Lauras Vater seinen Job in der Tourismusbranche verliert, weil Reisen und insbesondere Fliegen völlig out sind – ein Flug nach Ibiza kostete 100 Energiepunkte und mit den restlichen 100 würde man quasi verhungern.

Lauras normales Teenagerleben ist selbstverständlich ebenfalls massiv betroffen, doch während sie ebenso staunend wie besorgt mit unverstelltem Blick registriert, wie allenthalben der Zusammenhalt der Gesellschaft zu bröckeln beginnt, spielen Verliebtsein, Schulstress und ihre Mädchenband trotzdem weiterhin eine wichtige Rolle. Aber die nächsten Probleme rücken unaufhaltsam näher, als im Juni eine endlose Hitzewelle einsetzt. Nun werden auch Wasser-Smartmeter eingeführt.

Am 11. August brechen erste blutige Unruhen aus und in Brüssel kommt es wegen der Notstände zu schweren Kämpfen am EU-Parlament. Und als nach Monaten der erste Regen einsetzt, hört er nicht wieder auf. Längst hat die Zivilisation schwerste Schäden davongetragen, dabei kommt das Schlimmste erst noch, denn ein erneuter ganz großer Sturm zerstört nicht nur zehntausende von Häusern, Riesenwellen lassen die Themse-Stauwerke brechen mit entsetzlichen Folgen. Und schließlich bricht als Folge großer Überschwemmungen im London des 21. Jahrhunderts sogar die Cholera aus!

Euer schönes Leben kotzt mich an!" - nun weiß man, dass der Vorwurf an die Eltern- und Großelterngenerationen gerichtet ist, die mitschuld sind daran, dass dieses Schreckensszenario die Zukunft der jungen Menschen zerstört. Was nun diesen in schnörkelloser Jugendsprache verfassten Roman so fessselnd und zugleich ungeheuer authentisch macht, ist die Tagebuch-Form, in der er geschrieben ist. Und er muss leider als erschreckend realistisch anerkennt werden, dabei ist 2015 nicht mal mehr weit weg. Fazit: ein schlimmes Buch, ein grandioses und absolut filmreifes Buch, das nicht nur für Jugendliche ab etwa 13 Jahre zur Pflichtlektüre gemacht werden sollte.

 

# Saci Lloyd: Euer schönes Leben kotzt mich an! (aus dem englischen von Barbara Abedi); 343 Seiten, broschiert; Arena Verlag, Würzburg; € 12,95

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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