ANNE CHAPLET: „SCHREI NACH STILLE"

Groß-Roda ist ein oberhessisches Dorf und hierher ist Sophie Winter gezogen. Leisten konnte sie sich das alte Haus spielend, denn mit ihrem Debütroman „Sommer der Liebe" hat sie ein Vermögen verdient. Trotzdem war es keine so gute Idee, sich ausgerechnet hier niederzulassen, denn ihr Buch ist ein Schlüsselroman aus dem Jahr 1968, als ein Hippie-Trio in genau dieses Haus zog und die Spießer aus dem Dorf mit ihrem freizügigen Gebaren zur Weißglut trieb.

Schrei nach Stille" hat Erfolgsautorin Anne Chaplet ihren neuen Roman überschrieben, der nicht nur ein Krimi ist, obwohl alte Bekannte wie Paul Bremer ebenso eine Rolle spielen wie dessen alte Freundin, die Staatsanwältin Karen Starke, und der Kriminalhauptkommissar DeLange. Der fungiert soeben in Frankfurt als Berater am Filmset, wo „Sommer der Liebe" nach Sophie Winters Buch verfilmt wird. Darin geht es um einen Mann und zwei Frauen, die 1968 in das alte „böse" Haus in Groß-Roda gezogen waren und ein hippiemäßiges Leben versucht hatten.

So wie der Kriminalist erstaunliche Parallelen in dem Buch zu einem alten, nie geklärten Fall zu erkennen meint, ist auch die etwas seltsame Sophie im Dorf nicht allen eine Unbekannte und wie damals passieren erneut merkwürdige Dinge. Tatsächlich war Sophie unter ihrem richtigen Namen eines der Hippiemädchen, wogegen die andere damals auf nie geklärte Weise eines Nachts verschwand. Aber die jetzt gut 60-Jährige hat noch ein anderes Problem – zunehmende Gedächtnisausfälle, offenbar krankhafter Natur.

Dennoch fühlen sich einige der Spießbürger aufgeschreckt und an Vorgänge erinnert, die über Hasstiraden gegen die kiffenden Paradiesvögel mit der freizügigen Lebensführung weit hinausgingen. Wer hat etwas zu verbergen und wie genau trifft Sophies Schlüsselroman aus einer der gewaltigsten Umbruchphasen der Bundesrepublik gefährlich Verborgenes? Geheimnisse, Verdächtigungen und Anfeindungen durchziehen diesen überaus authentisch wirkenden Roman, der auch ein Krimi ist, aber eigentlich viel mehr als das.

Erneut knüpft Anne Chaplet viele Fäden zu einer ebenso filmreifen wie realistischen Geschichte zusammen und die gewohnt vorzüglichen Charakterdarstellungen machen „Schrei nach Stille" zusätzlich zu einem erstklassigen Stück Spannungsliteratur.

 

# Anne Chaplet: Schrei nach Stille; 334 Seiten; List Verlag, Berlin; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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