DAVID ALMOND: „LEHMANN"

Spannend und auf dunkle Weise mysteriös ist „Lehmann", der neue Jugendroman des britischen Erfolgsautors David Almond, denn das Böse treibt hier sein Unwesen und auch Frankenstein lässt grüßen. Dabei beginnt alles wie eine harmlose Lausbubengeschichte in den 60er Jahren, wenn der 14-jährige David als Ich-Erzähler von allerlei Streichen berichtet.

Er und sein Freund Geordie leben im katholischen Viertel einer nordenglischen Stadt, wo sie allerhand Dummheiten machen, zuweilen auch den gütigen Pfarrer O'Mahoney foppen und als Ministranten sogar Messwein stiebitzen. Wirklich unerfreulich ist in ihrem Alltag eigentlich nur Martin „Mouldy" Mould, ein versoffener Halbstarker, der die Jungen verprügelt, wenn er sie zu fassen bekommt. Das ändert sich, als eines Tages Stephen Rose im Viertel auftaucht, ein bleicher Jüngling mit unstetem Blick, der angeblich aus dem Priesterseminar geflogen ist, weil er schwarze Messen abgehalten haben soll.

Er kommt bei seiner verrückten Tante Mary unter, denn sein Vater ist am Herzschlag verstorben und seine Mutter lebt wegen geistiger Verwirrung in einer Anstalt. David und seine Freundin Maria wie auch Geordie finden Stephen irgendwie unheimlich, doch als ihr Pfarrer sie bittet, sich ein wenig um ihn zu kümmern, weil sie einen günstigen Einfluss auf ihn ausüben würden, beginnt eine seltsame Beziehung, der sich vor allem David nicht entziehen kann. Es stellt sich heraus, dass Stephen ein ungewöhnliches Talent hat, lebensechte Figuren zu formen, wie es auch David vortrefflich versteht.

Als die Jungs Stephen eine Grube mit hervorragendem Lehm zeigen, beginnt er Figuren von Lebewesen zu gestalten und kündigt an, ihnen eines Tages Leben einzuhauchen und etwas ganz Besonderes zu erschaffen. David hat zwar den Eindruck, eine der Figuren bewege sich tatsächlich, glaubt aber nicht daran. Dann jedoch beschwört der geheimnisvolle Freund ihn, beim nächsten Gottesdienst eine Hostie zu stehlen, denn damit und mit ihren gemeinsamen besonderen Kräften solle einem großen Wesen Leben eingehaucht werden. Als dieser Lehm-Mann, der den naheliegenden Namen „Lehmann" erhält, in einer Mondnacht entstanden ist und sich nach stundenlanger Beschwörung wahrhaftig bewegt, nimmt David in heller Panik reißaus.

Am nächsten Tag erfährt er, dass der fiese Mouldy betrunken im alten Steinbruch zu Tode gestürzt ist – David ahnt Schlimmes und nachdem er schon erleben musste, wie Stephen seine Tante hypnotisierte, erscheint ihm Lehmann nun auch noch leibhaftig. Das Böse ist in der Welt und der Junge fühlt sich mitschuldig daran. Mehr aber soll von dieser glänzend geschriebenen Geschichte nicht verraten werden, die auch Leser über zwölf Jahre sicher wunderbar frösteln lässt.

 

# David Almond: Lehmann oder die Versuchung (aus dem Englischen von Ulli und Herbert Günther); 240 Seiten; Carl Hanser Verlag, München; € 14,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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