WLADIMIR KAMINER: "KÜCHE TOTALITÄR"

Deutschlands Lieblingsrusse Wladimir Kaminer hat wieder zugeschlagen und diesmal mit noch nachhaltigeren Folgen als sonst, denn außer unentrinnbar auf die Lachmuskel geht es diesmal auch noch auf die schlanke Linie. "Küche totalitär" hat er sein neues Buch überschrieben und der inoffizielle Titel lautet "Das Kochbuch des Sozialismus von Wladimir und Olga Kaminer".

Eine klare Arbeitsteilung, wo der hinreißende Geschichtenerzähler Wichtiges aus zehn ehemaligen Teilen der Sowjetunion zum Besten gibt und Ehefrau Olga eine Fülle von Rezepten beisteuert von der Vorsuppe bis zu manch erstaunlichen Desserts. Der seit 1990 in Berlin lebende Russe nährt zwar unüberhörbare Zweifel daran, ob es denn eine sowjetische Küche überhaupt gegeben habe, und eigentlich ist der Wodka sowieso das ureigenste Hauptnahrungsmittel, doch die Rezepte klingen wunderbar appetitanregend und ob sie alle wirklich authentisch sind – Hauptsache, es schmeckt.

Kaminer lässt mit süffisanter Logik deutliche Bewunderung für die Improviationsfähigkeit der Menschen im Sozialismus erkennen, wenn er sich anekdotenreich durch eine Vorurteilsgastronomie arbeitet, bei der Kaviar nicht einmal eine Nebenrolle spielt, die Beschaffung der Zutaten dagegen für manche Abenteuer sorgt. Mit lakonischen Sätzen schildert er die kulinarischen Träume und Realitäten der Sowjetmenschen und das so locker und überzeugend, dass Zweifel gar nicht erst aufkommen.

Das Prädikat "Wertvoll" verdient zudem die Tatsache, dass die meisten Gerichte recht problemlos nachzukochen sind. Ansonsten liegt das Lesevergnügen (aber auch das gleichnamige Hörbuch ist sehr zu empfehlen!) in der hintertriebenen Satire, die unter all der echten oder erfundenen Folklore köchelt.

 

 

# Wladimir Kaminer: Küche totalitär; 223 Seiten; Manhattan Verlag, München; € 18

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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