MICHAEL HESEMANN: "HITLERS RELIGION"

"Sie werden niemals Menschen finden, die für ein Wirtschaftsprogramm ihr Leben lassen. Aber Millionen von Menschen werden einmal bereit sein, für ein Evangelium zu fallen." Das erklärte Adolf Hitler schon 1928 und es deutet an, dass die Religion durchaus kein marginaler Nebenaspekt bei der Erforschung von Hitlers Erfolgsrezept ist sondern vielmehr der Schlüssel zum Verständnis des Nationalsozialismus.

Fast sträflich vernachlässigt blieb bisher, dass Hitler nicht einfach nur ein skrupelloser Realpolitiker und bestürzend irrational war sondern vielmehr bestürzend logisch. Dem Historiker Michael Hesemann kommt das Verdienst zu, eine zu Unrecht kaum beachtete wesentliche Triebfeder des Machtmenschen exzellent recherchiert und analysiert zu haben. "Hitlers Religion. Die fatale Heilslehre des Nationalsozialismus" ist das Werk überschrieben und Hesemann führt den stringenten Nachweis, dass dieser in der Tat keine rein politische Ideologie sondern vielmehr eine mythisch-religiöse Weltanschauung und Heilslehre war.

Hitler ein rassistischer Esoteriker, das enthüllt auch die endlich durchforschte Bibliothek des Lesewütigen, der sich schon früh für die Schriften von Gnostikern, Theosophen und Ariosophen begeisterte und bereits 1925 von dem zu errichtenden antichristlichen Ordensstaat sprach. Und der Bruch mit dem Christentum ist auch das verbindende Element sämtlicher prominenter Nazi-Führer, unter denen Goebbels als zynischer Zeremonienmeister wirkt, während Himmler kaum verbrämt seinem fanatischen Okkultismus frönt, wobei die von ihm gegründete SS zum schwarzen Orden wird.

Wenn dann ein ganzes Volk diesem Führer in blindem Gehorsam in Krieg und Untergang folgt, spielen die von Hitler perfekt beherrschte quasi-religiöse Massenpsychologie wie auch die Riten dieses Kultes von Willen, Gewalt und Erbarmungslosigkeit eine ebenso subtile wie durchdringende Rolle. Von Beginn an hat sich Hitler mit seiner völkisch-mystischen Heilslehre als eine Art Mahdi des durch den Versailler Friedensvertrag gedemütigten Volkes aufgeschwungen. Die jüdisch-christliche Kirche jedoch sollte erst nach dem Endsieg beseitigt und durch die germanische Gegenreligion ersetzt werden.

Was hier so abenteuerlich klingt und mit vielerlei wahrhaft abstrusen Belegen nationalsozialistischen Gedankengutes als unfassbar erscheint, beruht gleichwohl keineswegs auf Spekulationen, denn der Autor belegt die vielen Beispiele mit seriösen Quellen, Daten und Fakten. Doch wie schon beim abschreckend verquer geschriebenen Hitler-Kathechismus "Mein Kampf", den trotz millionenfacher Verbreitung kaum jemand gründlich gelesen und ernstgenommen hat, entgingen auch viele andere durchaus nicht geheime Indizien und Verknüpfungen der naheliegenden Analyse.

Hier nun liegt sie endlich vor, überraschend, fesselnd, erschreckend logisch. Und beklemmend aktuell, denn offenbar war der Nährboden für eine derartige politische wie destruktive Religion nicht nur durch Wirtschaftskrise und Arbeitslosigkeit bereitet, vielmehr mindestens ebenso durch die geistige Orientierungslosigkeit breiter Kreise. Fazit: eine brisante, spannende und ungeheuer wichtige Lektüre!

 

# Michael Hesemann: Hitlers Religion. Die Heilslehre des Nationalsozialismus; 480 Seiten, div. Abb.; Pattloch Verlag, München; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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