OSMAR WHITE: "DIE STRAßE DES SIEGERS"

Als der australische Reporter Osmar White 1946 seinen großen Augenzeugenbericht über die Eroberung des Dritten Reichs durch die Alliierten veröffentlichen wollte, wurde dies von der Zensur unterbunden. White, der als einer der besten Kriegsberichterstatter seiner Zeit galt, war offenbar zu schonungslos offen, zu unbestechlich, zu vorurteilsfrei gewesen für den Geschmack der Siegerstaaten.

"Die Straße des Siegers" hatte er seinen Bericht mit Reportagen aus der Zeit von Januar bis November 1945 überschrieben und er sah sich dabei als Zuschauer, "der bevorzugt aus Bodenhöhe über die Schlachtfelder blickte." Erst 1983 überarbeitete White die Urfassung seines Buches, ohne ihre unmittelbare Authentizität zu verfälschen, und erst jetzt liegt auch die deutsche Fassung vor. Ein einzigartiges Zeitzeugnis, das durchgehend auf Fakten und Eindrücken beruht, die zu der Zeit festgehalten wurden, als sie sich ereigneten.

Und White war mittendrin im Chaos der Kriegsereignisse, machte den Vormarsch auf Mosel und Rhein in Pattons Panzerarmee mit – und macht keinen Hehl daraus, dass er den ebenso genialen wie neurotischen General verabscheute. Unmittelbarer geht es nicht, wenn er die Tieffliegerangriffe als regelrechte Exekutionskommandos erlebt oder immer wieder Beispiele der bedingungslosen Autoritätsgläubigkeit der Deutschen. Um so beeindruckender sind die erstaunten Schilderungen davon, wie die Moral der Zivilbevölkerung restlos zusammenbrach, sobald alliierte Truppen vor Ort standen. Es widerte ihn dann an, wenn jene, "die einst aus Hitler einen Gott und aus seinen Worten eine Religion machten, ihn nun verleugneten."

Grauen kommt auf, als er ins soeben befreite KZ Buchenwald kommt, wogegen es wie filmreife Fiktion wirkt, was er als Augenzeuge von der Entdeckung des Goldschatzes der Nazis (100.000 Tonnen!) berichtet. Spannend auch seine Schilderungen vom Kapitulationsakt oder aus jenen Führungsbunkern der Nazi-Elite samt deren seltsamem Verständnis von Luxus. Es sind faszinierende Beschreibungen und Einblicke und vieles davon ist so wohl kaum jemandem noch bekannt.

White zeichnet präzise und kühl, aber auch leidenschaftlich und in hohem Maße fesselnd ungeschönte Szenen der Wirklichkeit. Es ist keine Kriegsgeschichte, denn er beschränkt sich ganz auf seine persönliche Beobachtungen und Gedanken. Auch und gerade deshalb muss man dankbar sein, dass die endlich auch hier vorliegen.

 

# Osmar White: Die Straße des Siegers (aus dem Englischen von Ursel Schäfer); 294 Seiten; Piper Verlag, München; € 14

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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