FRANCINE PROSE: "DAS LEBEN DER MUSEN"

Seit jeher weiß man von Musen, die große Künstler mal beflügelt, mal auch in die Verzweiflung gestürzt haben. In vielen Fällen waren es vorübergehende Affären, man denke nur an Picassos jeweiliges Aufschäumen zu neuen Geniestreichen, wenn er eine neue Geliebte hatte. Die amerikanische Erfolgsautorin Francine Prose widmet sich exemplarischen Fällen, greift dazu jedoch Fälle bedeutender Musen auf, die für das gesamte Werk berühmter Künstler von entscheidender Wirkung waren.

"Das Leben der Musen" heißt ihr Buch, in dem sie neun detailliert aufgeschlüsselte Fälle beschreibt und selbstverständlich nimmt auch das Leben und Schaffen der inspirierten Künstler einen gewichtigen Teil der Ausführungen ein. Da war Lou Andreas-Salomé ein Sonderfall in der Neuzeit, denn sie beeinflusste als Muse gleich drei Berühmtheiten, wobei das Schaffen Rainer Maria Rilkes durch die Liebesaffäre mit der älteren und ebenso attraktiven wie selbstbewussten Schriftstellerin geprägt wurde, nicht zuletzt durch die Widrigkeiten und den Bruch ihres leidenschaftlichen Verhältnisses.

Doch die Hochemanzipierte war auch Muse für den Philosophen Nietzsche und später gleichfalls platonisch für Freud, mit dem sich als praktizierende Psychoanalytikerin über Jahrzehnte austauschte. Viel berühmter und direkt nachspürbar verantwortlich für den künstlerischen Welterfolg aber war Gala, Gattin und Muse von Salvador Dali. Als sie einander begegneten, galt die zehn Jahre Ältere bereits als gefährliche Sirene. Doch es funkte sofort zwischen dem verklemmten Egomanen und der bekannten Triebtäterin und diese äußerst produktive Partnerschaft zwischen zwei psychisch ähnlich "speziell" gearteten Menschen hielt, bis dass der Tod sie nach über 50 Jahren schied.

Daran erinnert auch John Lennons Verbindung mit Yoko Ono – übrigens war auch sie sieben Jahre älter als der Beatles-Kopf – die vielfach als Hexe geschmäht wurde, weil sie ihn angeblich beherrschte und auch die Beatles auseinanderbrachte. Hier jedoch spielt der Musenzauber eine noch speziellere Rolle, denn Ono hatte es 1966 als selbständige Künstlerin bereits bis zur Einzelausstellung in London gebracht, als ihr John begegnete. Obwohl es sofort knistert, dauert es, bis sie ein Paar werden, dann jedoch erleben sie bewegte Jahre als Seelengefährten mit viel Publizität bis zu seiner Ermordung.

Auch hier wie in den weiteren Fällen besticht die Autorin mit intensiver Recherche und pointierten Auswertungen. Gepaart mit einer wunderbar scharfzüngigen Ironie werden die Darlegungen in dieser Art der Aufbereitung zu einem anspruchsvollen Lesegenuss.

 

# Francine Prose: Das Leben der Musen (aus dem Amerikanischen von Susanne Höbel, Brigitte Jakobeit); 460 Seiten, div. Abb.; Nagel & Kimche, Zürich; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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