RALF ROTHMANN: "JUNGES LICHT"

Ralf Rothmann gehört zu den virtuosesten Sprachzauberern unter den deutschsprachigen Romanciers und das beweist er auch mit seinem neuen Buch "Junges Licht". Ruhrgebiet, 60er Jahre und ein ebenso rauer wie poetischer Revierroman – Rothmann greift zurück auf die Szenerie aus "Milch und Kohle" aus dem Jahr 2000.

Noch sensibler und noch eindringlicher lässt er den damals 15-jährigen Julian diesmal als Ich-Erzähler aus dem heißen Sommer 1965 berichten. Zwölf ist er, fast an der Schwelle zur Pubertät, und die Ferien beginnen. Der scheu geliebte Vater malocht in Nachtschichten unter Tage, während die kettenrauchende kränkelnde Mutter in nervöser Unausgeglichenheit aus nichtigen Anlässen Kochlöffel auf ihm zerdrischt, während die kleine Schwester Sophie verhätschelt wird.

Man kann das stille Glück Julians nachempfinden, als Mutter und Schwester überraschend zu Verwandten an der Nordsee verreisen. Doch die Erlebnisse dieser Wochen sind auch verwirrend, seien es die seltsamen Annäherungsversuche des widerwärtigen Hauswirts Gorny, seien es die frühreifen Machenschaften von Gornys 15-jähriger Stieftochter Marusha, die sich in den schwülen Nächten auf eine Weise mit dem Halbstarken Johnny auf ihrem Zimmer vergnügt, die Julian als unabsichtlichen Lauscher völlig irritiert.

Vieles ist da unterschwellig bedrohlich und zu Julians Lichtblicken zählen noch am ehesten die Begegnungen mit dem versoffenen Pomrehn. In seiner skurrilen Altersweisheit sorgt der mit Indianerweisheiten für ein wenig diffusen Trost und Hoffnung, wo doch sonst das ganze Leben von Arbeit, Schweiß, Kohlenstaub und Grobheit beherrscht erscheint. Und wie warmherzig Rothmann seine so meisterhaft gezeichneten Figuren auch führen mag, sie entgehen ihrem Schicksal nicht. Wenn dann die Ruhrpott-Lolita Marusha den braven Malocher verführt, dann hat das Folgen für Julians ganze Familie und ohnehin ist dies einer jener Sommer, an deren Ende nichts mehr sein wird, wie es mal war.

So grau die Szenerie auch ist, in ihr funkeln Sprachdiamanten, die mit ihrer ungeheuren Unmittelbarkeit ein absolutes Miterleben bescheren. Rothmann ist nicht nur in seinen faszinierend authentischen Milieuschilderungen unerreicht, bei aller lakonischer Treffsicherheit entgeht ihm kein auch nur scheinbar nebensächliches Detail und man möchte doch keines missen. Zugleich ist wohl selten das Ende einer Kindheit mit solch unverstelltem Kinderblick zu einem Meisterwerk der Literatur verwandelt worden.

 

 

# Ralf Rothmann: Junges Licht; 237 Seiten; Suhrkamp Verlag, Fankfurt; € 19,80

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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