CLAIRE MESSUD: "FAMILIE JÄGER"

Zwei neue Romane enthält Claire Messuds neues Buch "Familie Jäger". Mit ihrer gerühmten klaren, kompakten Prosa erzählt die Amerikanerin zunächst 'Eine einfache Geschichte' von Maria Poniatowski. Mit 15 wurde sie aus ihrem ukrainischen Dorf von den Deutschen abtransportiert, um in verschiedenen Arbeitslagern wie ein Sklavin zu schuften.

1943 gelingt ihr in einer Bombennacht die Flucht aus einer Essener Munitionsfabrik. Nach einer Zeit des Versteckens bei Bauern landet sie zum Kriegsende wieder im Lager, diesmal jedoch findet sie nicht nur die Liebe, sondern sie wird auch mit ihrem Mann zusammen als Displaced Person nach Kanda gebracht. Auch wie die vom Krieg Entwurzelte hier als nie ganz Heimische lebte, erzählt dieser bewegende Erinnerungsroman.

Ganz anders dagegen der mit subtiler Spannung durchsetzte zweite Roman, die Titelgeschichte. Hier ist die Protagonistin eine namenlose amerikanische Wissenschaftlerin, die den Sommer allein in einer Londoner Wohnung für Recherchen nutzen will. Wenn da nur nicht die auffallend hässliche Ridley wäre, die zunehmend lästig wird. Sie lebt mit ihrer Mutter zusammen, von der man jedoch nie etwas hört oder sieht. Und mit den vielen Patienten, die alle innerhalb weniger Tage sterben. Für die Ich-Erzählerin wird es allmählich zur fixen Idee, die Geheimnisse der 'Familie Jäger' zu ergründen. Da bleibt selbst dann vieles offen, wenn sich die Patienten als eine riesige Horde von Kaninchen entpuppt.

Es kommt zuweilen Mistery-Stimmung auf und immer wieder zeigt sich, dass nichts so ist, wie es schien. Beide Geschichten leben von Claire Messuds treffsicherer Sprache, die mit ihrer Dichte und Souveränität wohltuend frei von Füllwerk ist und auch deshalb ein echtes Lesevergnügen kredenzt.

 

# Claire Messud: Familie Jäger (aus dem Amerikanischen von Dora Winkler); 217 Seiten; DVA, München; € 18,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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