LE THI DIEM THUY: "DAS WEINEN DES SCHMETTERLINGS"

Einen wunderbaren poetischen Debütroman hat Le Thi Diem Thuy mit "Das Weinen des Schmetterlings" vorgelegt. Die melancholische Geschichte des Mädchens, das wie Abertausende Boatpeople aus Vietnam flieht und in das fremdartige Südkalifornien kommt, ist autobiografisch, denn Le kam wirklich 1978 als Sechsjährige mit ihrem Vater nach San Diego.

Das Mädchen fühlt sich entwurzelt, das Schulkleid kratzt, die Stimmen der Einheimischen sind laut und auch als die Mutter nach zwei Jahren endlich nachkommt, bleibt die Fremdheit. Mit den großen Augen des Kindes schildert die Autorin manch skurrile Erlebnisse wie das mit dem in Acryl gegossenen Schmetterling, dessen ‚Befreiung‘ unangenehme Folgen mit sich bringt. Natürlich gerät die alltägliche Begegnung mit dem American Way of Life zum dauerhaften Kulturschock und warum die Amerikaner die Farbe Weiß so schätzen, ist ihr unbegreiflich, wo sie doch als Farbe der Trauer gilt.

Le hat jedoch auch mit den Gespenstern der Vergangenheit zu kämpfen, die immer deutlicher werden. Und ihr Bruder fehlt ihr, seit er damals noch in der Heimat beim Fischen ertrunken ist. Sie mag ihre Eltern, dennoch schreckt sie deren intensive und zuweilen gar heftige Liebe so sehr, dass sie mit 16 von zu Hause ausreißt, um später an der Ostküste zu leben. Tatsächlich lebt die Autorin heute in Massachusettes und arbeitet dort als Performance-Künstlerin.

Mit "Das Weinen des Schmetterlings" ist Le Thi Diem Thuy ein fein gesponnenes Stück Emigrantenliteratur gelungen, das ganz ohne Selbstmitleid auskommt und in dem sie sich trotz aller Verlustgefühle auch niemals als Opfer beschreibt.

 

# Le Thi Diem Thuy: Das Weinen des Schmetterlings (aus dem Amerikanischen von Cornelia Holfelder-von der Tann); 159 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 16 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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