BORIS REITSCHUSTER: "WLADIMIR PUTIN"

"Ein starker Staat ist eine Quelle und ein Garant von Ordnung und die wichtigste Triebkraft jeder Änderung." Das sagte Wladimir Putin Ende 1999 als Ministerpräsident unter dem erratischen Präsidenten Boris Jelzin. Seit dem 26. März 2000 ist Putin dessen Nachfolger, doch wer ist er wirklich? Das versucht Boris Reitschuster mit seinem Buch "Wladimir Putin. Wohin steuert er Russland?" zu enträtseln.

Der junge deutsche Journalist, der Moskau als Zweitheimat bezeichnet und das Land seit 15 Jahren kennt, konnte viele Zeitzeugen befragen, doch sie müssen zumeist anonym bleiben, denn unter dem gelernten KGB-Offizier Putin herrscht quasi eine Art ‚Diktatur des Gesetzes‘ mit drastischer Beschneidung von Pressefreiheit und Demokratie. Seine "Doktrin zur Informationssicherheit" erzeugte ein Klima der Angst unter den Journalisten, kritische Sender wurden unter Staatskontrolle gestellt, wobei Tschetschenien das absolute Reizwort für den für ‚pragmatische Brutalität‘ bekannten Putin gilt.

Der 1952 in Sankt Petersburg geborene Putin wird als effektiv, hochintelligent, sehr fleißig und als Spezialist im Umgang mit Menschen bezeichnet, er habe aber auch die Neigung, alles zur Chefsache zu machen. Als es gleich nach seiner Ernennung zum Präsidenten eine Welle von Bombenanschlägen in Moskau gibt, wettert er drastisch gegen die Terroristen und wird für die Öffentlichkeit zum Hoffnungsträger als starker und sauberer Staatschef. Putin statt Jelzin, das bedeute Stabilität statt Chaos und Großmacht statt Verfall.

Umfragen beweisen es: die große Mehrheit des Volkes will den starken Führer und den starken Staat. Zwar kratzt das ungeschickte Taktieren während der "Kursk"-Katastrophe an seiner Popularität, die Korruption im aufgeblähten Beamtenapparat blüht und auch die Kriminalität steigt weiter, dennoch hat Putin beste Chancen, die im März 2004 anstehenden Präsidentenwahlen zu gewinnen. Der Mann mit den vielen Gesichtern hat für eine "Potemkinsche Demokratie" gesorgt und setzt politisch mehr auf Manipulation als auf Repression. Die Erfolgsbilanz auf dem Weg der angestrebten ‚gelenkten Marktwirtschaft‘ ist eher dürftig, doch es gibt ganz offenbar keine Alternative zu dem neuen Zaren.

Der Autor legt mit dem aufschlussreichen Werk keine Biographie Putin vor, sondern schildert kenntnisreich die teils kaum glaublichen Vorgänge im Russland der nachsowjetischen Zeit sowie den unaufhaltsamen Aufstieg des charmanten Politikers, der sich öffentlich lieber kühl und ernst gibt. Manches wird verständlicher, manches bleibt beunruhigend. Wohin Putin das weiterhin höchst unordentliche Riesenland hinsteuert, bleibt gleichwohl allenfalls zu erahnen. Fazit: eine wichtige Lektüre, die in ihrer Deutlichkeit dem fließend Deutsch sprechenden Präsidenten kaum gefallen dürfte.

 

# Boris Reitschuster: Wladimir Putin. Wohin steuert er Russland?; 336 Seiten; Rowohlt Verlag, Berlin; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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