KAISER/KARLSTEDT: "ZWÖLF HEIßT: ICH LIEBE DICH"

Es ist zwar keine dieser schwer verständlichen Beziehungen, wo Opfer und Peiniger in Liebe zueinander gefunden haben, doch eine Ausnahmeerscheinung ist es allemal, dass Regina Kaiser und Uwe Karlstedt heute Lebensgefährten sind. Die junge Frau saß seinerzeit als vermeintliche Dissidentin in U-Haft im Stasi-Gefängnis in Berlin-Hohenschönhausen und er war ihr Vernehmungsoffizier. Immerhin waren es seine Ermittlungsergebnisse, die sie dann für drei Jahre in das berüchtigte Frauenzuchthaus Burg Hoheneck brachten.

"Zwölf heißt: Ich liebe Dich" heißt der ungewöhnliche Bericht einer fast unmöglichen Liebe und die jetzigen Lebenspartner haben ihn gemeinsam verfasst. Vermutlich hätte sie damals 1981 sogar die Untersuchungshaft vermeiden können, nachdem ihr Ehemann verhaftet worden war. Doch sie hatte zugegeben, an den Berichten für ein West-Berliner Komitee mitgeschrieben zu haben. Natürlich reichte das für einen Haftbefehl und weil man gerade von 'oben' größere Erfolge in der Hauptabteilung 'Ermittlungen' eingefordert hatte, erweiterte der Vernehmungsoffizier – eben Uwe Karlstedt – die Vorwürfe um den bösen Straftatbestand der "landesverräterischen Agententätigkeit".

Und dennoch, es waren diese stundenlangen Vernehmungen, die zunächst bei der aus der Normalität gerissenen Frau eigenartige Gefühle entstehen ließen. Er protokollierte die Verhöre und sie denkt solch unmöglichen Dinge wie, dass sie dieses junge attraktive Gesicht stundenlang anschauen könnte. Auch er ist beeindruckt von der erstaunlich selbstbewussten Inhaftierten, die wie er aus einer linientreuen Familie kommt. Dass sie aber sogar Liebesgefühle für ihn entwickelt – "Ich liebe dich – das sind zwölf Buchstaben" – geht über das normal Vorstellbare hinaus.

Durch die Haft und den späteren Freikauf durch die Bundesrepublik verlieren sie sich dann jedoch aus den Augen. 1997 war sie es schließlich, die den Kontakt wiederaufnahm, mit der Folge, dass sie nun zusammen leben. Mindestens so interessant wie ihre Ausführungen zu der außergewöhnlichen Liebesgeschichte sind aber auch die selbstkritischen Äußerungen des Ex-Majors der Stasi. Er macht keinen Hehl daraus, dass er sicher noch immer im "Apparat" funktionieren würde, wenn es die Wiedervereinigung nicht gegeben hätte.

Dieser Tatsachenbericht ist sicher nicht exemplarisch, der Blick hinter die einst so streng verborgenen Kulissen aber macht das Buch zur bewegenden Lektüre über eine noch gar nicht lange untergegangene Republik, in der das Wort Menschenrechte mit ganz kleinen Buchstaben geschrieben wurde.

 

# Regina Kaiser/Uwe Karlstedt: Zwölf heißt "Ich liebe dich". Der Stasi-Offizier und die Dissidentin; 300 Seiten; Kiepenheuer & Witsch, Köln; € 19,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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