MILTON HATOUM: "ZWEI BRÜDER"

Zwei Brüder, die durch Missgunst und Eifersucht in Hass aneinander geraten, das ist ein biblischer Urkonflikt. Milton Hatoum, brasilianischer Schriftsteller mit libanesischen Vorfahren, hat aus dieser Grundidee einen mitreißenden Roman um die Zwillingsbrüder Omar und Yaqub geschaffen, die in ihrem Ringen miteinander die ganze Familie in den Abgrund stürzen.

"Zwei Brüder" ist auch der Titel und Hatoum greift zu einem meisterhaften dramaturgischen Trick, denn er lässt den Indianermischling Nael diese in der Urwaldmetropole Manaus spielende Geschichte als ganz nahen und dennoch außenstehenden Chronisten erzählen. Er ist der Sohn des Dienstmädchens im Hause von Halim und Zana, den Eltern der Zwillinge, und allmählich festigt sich für ihn die Erkenntnis, dass er offenbar der Sohn eines der beiden Brüder ist.

Aber von welchem – von Yaqub, dem 'guten', strebsamen, der sich zum Erfolg hocharbeitet? Oder doch vom ungebärdigen Strolch Omar, der es zu nichts als zum Rumtreiber und bis ins Gefängnis bringt, den Zana aber von klein auf schicksalhaft mit leidenschaftlich blinder Mutterliebe vergöttert und dem Vater wie dem Bruder stets und bei allem vorzieht? Früh muss der Vater resignieren und zwischen den Brüdern bricht schon im Jugendalter der unversöhnliche Hass so offen aus, dass Omar dem Bruder ein sichtbares Kainsmal versetzt. Doch wie könnte Yaqub das verzeihen und vergessen, wo die Mutter ausgerechnet ihn zur törichten Friedensstiftung für Jahre in die alte Heimat im Libanon schickt.

Mögen sie auch zusammen mit dem Vater um die Liebe und Anerkennung der Mutter kämpfen, nur Omar findet ihr Herz, was immer er auch verbrechen mag. Wie Schiffbrüchige auf einem reißenden Fluss sind sie der Naturgewalt des unüberwindlichen Hasses bis zur Zerstörung ausgeliefert, denn: "..der andere Zwilling brauchte kein Geld, um das zu sein, was er war, und zu tun, was er tat."

Das ist Prosa von großer bildnerischer Kraft, ohne dabei in exotische Üppigkeit auszuufern, und zugleich fasziniert die unsentimentale Präsenz, Farbigkeit und Dichte des Erzählerischen. Wie mit der Lupe betrachtet der Leser den unentrinnbaren Kosmos dieses Konfliktes und bleibt ebenso rätselnd über die Innenwelten der so intensiv agierenden Figuren zurück wie Nael, der Erzählende. Auch er nur ein gebannt Zuschauender, wenn auch ungleich persönlicher betroffen.

 

 

# Milton Hatoum: Zwei Brüder (aus dem brasilianischen Portugiesisch von Karin von Schweder-Schreiner); Suhrkamp Verlag, Frankfurt; € 22,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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