DOUGLAS STEWART: "PIRATEN"

"Schiffeversenken" als übles Ganovenspiel mit häufig tödlichem Ausgang, so stellt sich nicht nur in früheren Zeiten die Piraterie dar. Thriller-Autor Douglas Stewart wollte schon vor über 20 Jahren einen Roman schreiben, in dem die moderne Seeräuberei im Mittelpunkt steht. Auf Grund eines Tipps reiste er ins westafrikanische Dakar und recherchierte.

Bald hatte er interessantes Material zusammen, doch dann Anfang 1980 überbot die Realität seine blühende Fantasie bei weitem: es passierte der bis heute nicht gänzlich aufgeklärte Riesenschwindel mit dem Supertanker "Salem", der nach einigen raffinierten Betrugsmanövern 100 sm vor Dakar von der eigens dafür ausgesuchten Crew versenkt wurde. Das 214.000 Tonnen große Schiff war für 24 Millionen Dollar versichert, die gar nicht vorhandene Ölladung sogar für 56 Millionen!

Statt für einen Thriller hat Stewart diesen Vorfall nun als Einstieg für eine große Darstellung des Verbrechens auf hoher See genommen, das heute virulenter ist als je zuvor. "Piraten" nennt er das Buch, denn das sind sie alle, ob sie nun rücksichtslose Überfälle, groß angelegte Versicherungsbetrügereien, Menschenhandel, Erpressung oder den Raub ganzer Schiffe betreiben. Der Fall "Salem" aber war 1980 auch der Anlass für den Londoner Chief Constable Eric Ellen, mit dem 'International Maritime Board' (IMB) erstmals eine Institution zu schaffen, die gegen das weltweite und zunehmend auch global operierende Seeräubertum vorgeht.

Nach schwierigen Anfängen ist das IMB längst eine anerkannte Organisation gegen die Piraterie geworden und Autor Stewart fand reiches Material für ebenso spannende wie erschreckende Fallschilderungen. Da sind die allgegenwärtigen kleinen Räuberbanden an den Küsten Asiens und Brasiliens wie auch ganze Piratenkonzerne mit weitreichenden Verbindungen, es gibt übelsten Menschenhandel seitens menschenverachtender Triaden aber auch den wachsenden Terrorismus zur See. Dieser begann bereits 1985 mit der Entführung der "Achille Lauro" und neuere Terrorangriffe auf US-Kriegsschiffe oder im Oktober auf einen französischen Tanker lassen für die Zukunft Böses ahnen.

Das IMB bemängelt jedoch das weiterhin zu indifferente Verhalten der Staatengemeinschaft und es sind nicht nur chinesischen Behörden, bei denen Korruption den Aufklärungswillen deutlich bremst. Stewart schildert dazu als Beispiel den Fall "Lucona" des Udo Proksch. Über die beinahe gelungene Vertuschung des mörderischen Versicherungsbetruges stürzten sogar Minister. Und auch die Attentatsversion des "Estonia"-Untergangs von 1998 erhält neue Nahrung durch die Thesen der Fachleute des IMB.

Diese Bestandsaufnahme der modernen Freibeuterei ist ein ebenso kompetenter wie romanhaft spannender Bericht, der aufzurütteln versteht, denn die jährlich hunderte von Geiseln auf hoher See, die Angriffe auch auf Fähren, Kreuzfahrtschiffe und Yachten passieren nicht nur in exotischen Gewässern und statt filmreifer Romantik bieten die modernen Piraten wirkungsvolle, brutale Kriminalität.

 

   

 

 

# Douglas Stewart: Piraten. Das organisierte Verbrechen auf See (aus dem Englischen von Reiner Pfleiderer); 468 Seiten; marebuchverlag, Hamburg; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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