CARLOS FUENTES: "DAS GLÄSERNE SIEGEL"

In seinem jüngsten Roman "Das gläserne Siegel" offenbart der große mexikanische Schriftsteller Carlos Fuentes seine bisher verborgene Leidenschaft zur Oper. Mag es auch die Geschichte einer großen unerfüllten Liebe sein, eigentlich ist es die Faust-Oper von Hector Berlioz, die immer wieder sinnstiftend zwischen diesem Paar steht.

Erstmals trifft der aufstrebende Dirigent Gabriel Atlan-Ferrara bei den Proben zu "La Damnation de Faust" 1940 auf die Chorsängerin Inez Prada. Als er die rothaarige Schönheit 1949 zur Operninszenierung in Mexiko wiedertrifft, singt sie bereits die Hauptrolle des Gretchens. Und für eine kurze Weile werden sie ein Paar. Doch sie sind beide zu sehr Egozentriker, zu sehr Künstler mit voller Hingabe und hohem Anspruch, um eine echte Bindung eingehen zu können. Die Kunst hat sie zusammengeführt und sie ist es auch, die sie trennt.

Erst 18 Jahre später treffen die Diva und der Stardirigent erneut aufeinander. Vergebens. Es bleibt bis ins hohe Alter hinein nur das Siegel, das sie ihm einst schenkte, und die verzehrende Erinnerung an eine Liebe, die in ihren kurzen innigen Momenten nichts als "die perfekte Verheißung dauerhafter Einsamkeit" offerierte. Und schließlich, mit 93, als er ein letztes Mal in Salzburg ‚seine’ Faust-Oper dirigiert, führt ihn das Siegel tief zurück in jene Zeiten des Liebesglücks, das gegen die alles beherrschende Leidenschaft zur Kunst nicht bestehen konnte.

Mit eleganter Sprache und viel Grandezza hat Carlos Fuentes diesen Künstlerroman verfasst, der voller verborgener Geheimnisse und gerade auch deshalb ein Lesevergnügen von hohem Anspruch ist.

 

 

# Carlos Fuentes: Das gläserne Siegel (aus dem Spanischen von Sabine Giersberg); 207 Seiten; DVA, München; € 19,90 WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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