ALAIN ROBBE-GRILLET: "DIE WIEDERHOLUNG"

Von jeher galt Alain Robbe-Grillet als Provokateur, viele seine Werke waren spröde intellektuell und für den 'Normalgebrauch' eher ungeeignet. Nun jedoch, soeben 80 Jahre alt geworden, überrascht er mit einem raffinierten spannungsgeladenen Spionageroman aus dem zerstörten Berlin im Jahr 1949.

"Die Wiederholung" heißt das grandiose Spätwerk und es fesselt mit einem wahren Feuerwerk an Ideen. Im Mittelpunkt steht der Ich-Erzähler Robin, ein Agent des französischen Geheimdienstes mit dem mysteriösen Auftrag, nächtens am Gendarmenmarkt einen angekündigten Mord zu beobachten. Die Leiche ist bald genauso verschwunden wie sein Auftraggeber Garin. Robin wechselt den Namen zum ersten Mal, um alsbald immer wieder aufs Neue eine andere Identität zu erhalten.

Die Brieftasche des vermeintlich Ermordeten enthielt den Ausweis des Obersten Dany von Brücke und diese Adelsfamilie spielt eine zunehmend große und undurchschaubare Rolle. Der Ich-Erzähler kommt in das "Puppenhaus", dessen Püppchen sehr lebendig und vorzugsweise minderjährig sind. Chefin ist Joelle, die junge Ex-Frau des Obersten, und ihre 14-jährige Tochter Gigi gehört zu den Hauptattraktionen des Hauses. Dem Ich-Erzähler aber geht es gesundheitlich schlecht bis hin zu Bewusstlosigkeiten und Wahnvorstellungen. Mal liegt er geschwächt im "Puppenhaus" und deliriert in erotischen Gelüsten mit der schönen Joelle. Dann wieder flieht er in fremden Kleidern, in denen er den Ausweis eines Walther von Brücke findet, durch das nächtliche Großstadtlabyrinth.

Nichts ist sicher und auch er selbst hat einen Doppelgänger, wer aber ist wer und was ist mit Garins Auftrag: ist sein undurchsichtiges Spiel ein falsches Spiel? Und wer setzt den Ich-Erzähler immer wieder mit Drogen so außer Gefecht, dass er an der eigenen Identität zweifelt? Und dann sind da die Korrekturen, als wolle der Autor seinem Erzähler geradezu besserwisserisch Fehler innerhalb seines Berichts ankreiden. Das sind jedoch bald schon mehr als nur intellektuelle Volten aus einem Spieltrieb heraus, denn zunehmend bekommen sie erzählerisches Eigenleben von großem Gewicht.

Der Leser erfährt von dunklen Familienbanden bis hin zu inzestuösen Verstrickungen und der Ich-Erzähler ist ihnen näher, als er selbst zu ahnen scheint. Und es naht der Moment, da begegnet er sich quasi selbst und ist offenbar der Auftragsmörder des Obersten. Oder war das sein Doppelgänger? Oder, oder, oder...

Es ist ein absolut virtuoses Vexierspiel voller Spannung, das Robbe-Grillet hier in Szene setzt, und er würzt diesen eleganten Wurf mit Sadomaso-Einlagen und einigen Obszönitäten von faszinierender maskuliner Frische und Reife. Wüsste man es nicht besser, man würde diesen quicklebendigen Teufelskerl von Autor höchstens für halb so alt halten.

 

 

 

# Alain Robbe-Grillet: Die Wiederholung (aus dem Französischen von Andrea Spingler); 241 Seiten; Suhrkamp Verlag, Frankfurt; € 24,90

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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