STEPHEN AMIDON: "TRAUMSTADT" Mehr als nur ein spannender Thriller ist Stephen
Amidons "Traumstadt", dieser Roman von der am Reißbrett entworfenen
amerikanischen Musterstadt ist zugleich ein schonungsloser Gesellschaftsroman. Die
griechische Tragödie scheint Pate gestanden zu haben, wenn anfangs die glorreiche
Szenerie erst nur durch ein so seltsames Menetekel wie das totale Fischsterben im See
inmitten der Stadt ein wenig verunsichert wird, nach und nach jedoch die Risse unter der
Oberfläche aufbrechen und sich dramatisch ausweiten. Die Macher der Retortenstadt sind der Jurist Austin
Swope und der Architekt Earl Wooten. Frei von Armut und Schmutz, technischen Defekten und
sozialen Konflikten soll ihre Stadt sein, ein zukunftsweisendes Wohnparadies. Doch den
ersten Vorzeichen folgen weitere Zwischenfälle und ausgerechnet zwischen Swope und Wooten
erwachsen Argwohn und Misstrauen, geschürt durch Intriganten und Missverständnisse. Und es spielt eine unterschwellige und nur scheinbar
überwundene Rolle in diesen Jahren der ausgehenden Nixon-Ära Anfang der 70er Jahre, dass
Swope weiß ist und Wooten ein Farbiger. Da mag "Nigger" in Newton noch so sehr
ein Unwort sein, es schwärt wie eine Wunde und bricht sich allmählich bahn in dem
Dreiecksverhältnis zwischen den Söhnen der Stadtgründer und der Tochter eines vom
Vietnam-Krieg gebeutelten Ex-Sergeanten und seiner ehrgeizigen aber heruntergekommenen
Frau. Der gesamte Traum von Glanz und Perfektion droht schließlich durch ein eher
privates tragisches Verhängnis in einem geradezu apokalyptischen Wirbel zu versinken. Das alles hat Amidon so meisterhaft zu einem ebenso scharfsichtigen wie mitreißenden Erzählfluss zusammengefügt, dass der Leser der großen Nähe zu den lebensecht gezeichneten Charakteren und ihrem Schicksal atemlos und bis zur letzten Seite nicht zu entrinnen vermag. |
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# Stephen Amidon: Traumstadt (aus dem
Amerikanischen von Wolfram Ströle); 510 Seiten; Manhattan Verlag München; 46,00 DM (öS 336.-/sFr 42.50/ 23,52) WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) |
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Kennziffer: BelA 005 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de |