JOHN DARNTON: "ZWILLINGSPARK"

Vor 100 Jahren hätte man John Darntons Thriller "Zwillingspark" einen Gruselroman genannt, vor 50 Jahren vielleicht Science Fiction. Und heute? Da gibt es bereits Scharen von außerhalb des Mutterleibs gezeugter Kinder, es gibt das Schaf "Dolly", erstes aber längst nicht mehr einziges geklontes Tier. Soeben sah sich selbst der so wissenschaftsfreundliche amerikanische Kongress genötigt, das Heranzüchten menschlicher Ersatzteillager zu verbieten. Und in diesen Tagen sorgt der italienische Arzt Antinori mit seiner Ankündigung des ersten Klonens eines Menschen für Aufruhr.

Das macht "Zwillingspark" so höchst aktuell und zugleich beängstigend real, denn hier dreht sich alles um Menschen, die wie in Aldous Huxleys naiv weitsichtiger "Brave New World" (1935!) künstlich vervielfacht werden für einen vermeintlich höheren Zweck. Auf einer isolierten Insel leben die jungen, perfekten Klone in einer paradiesischen aber abgeschlossenen Welt und glauben, Pioniere eines großartigen Experiments zu sein. Einer von ihnen entdeckt jedoch Grausiges und dann gelingt diesem Skyler die Flucht ans Festland.

In der völlig fremden echten Welt steht er dann jedoch plötzlich seinem Ebenbild gegenüber, dem Journalisten Jude Harley. Nicht nur dessen Story vom Fund eines rätselhaften Toten am Strand, dem alle identifikationsfähigen Merkmale abgestrennt wurden, führen ihn ins Fadenkreuz unbekannter, todbringender Feinde. Auch Skyler und ihre scheinbar zwillingshafte Gleichheit bedeuten Gefahr.

Auf ihrer Suche nach der Wahrheit ist der Tod ihr ständiger Begleiter und immer makaberer offenbaren sich die geheimnisvollen wissenschaftlichen Projekte als ebenso zynischer wie menschenverachtender Traum vom ewigen Leben derer, die sich die nötigen Ersatzteillager leisten können. Prototypen nennt man die ahnungslosen Spender frischen Lebens und ein Albtraum zeichnet sich ab, der den Leser schaudern lässt, denn all die gut beschriebenen biotechnischen Vorgänge sind ganz so, wie man sie ansatzweise schon aus den realen Nachrichten kennt. Sollte es derartige Prototypen womöglich bereits irgendwo geben........

"Zwillingswelt" ist ein höchst beunruhigender Roman und wenn er auf philosophischen Tiefgang oder einen erhobenen Zeigefinger der Moral verzichtet, so macht gerade diese Nüchternheit, diese fast kalte Neutralität um so beklommener. Dieses ungemein fesselnde Buch ist nichts für zartbesaitete Leser und man wird seine düsteren Botschaften gewiss nicht wieder vergessen. Schon wegen des Herrn Antinori.....

 

# John Darnton: Zwillingswelt (aus dem Amerikanischen von Wulf Bergner); 510 Seiten; C. Bertelsmann Verlag, München; 48 DM

(öS 350/sFr 44.50/€ 20,54)   WOLFGANG A. NIEMANN  (wan/JULIUS)

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